Dank des langjährigen Einsatzes der Fondation Franz Weber hat das kolumbianische Parlament den Stierkampf im Mai 2024 abgeschafft. Die Gegner dieses historischen Siegs riefen daraufhin das Verfassungsgericht an, das das Verbot nun bestätigt hat und dabei sogar noch einen Schritt weiter ging: Auch Corralejas, Coleo und Hahnenkämpfe sollen künftig ebenfalls untersagt sein. Unser Erfolg geht also weit über den Stierkampf hinaus – was wir erreicht haben, ist eine grundlegende Änderung der Rechte von Tieren. Ein Zeichen dafür, dass sich die Zeiten und Moralvorstellungen ändern!
Das historische Verbot des Stierkampfs in Kolumbien
Im Mai 2024 verabschiedete der Kongress der Republik Kolumbien mit 93 zu zwei Stimmen ein Gesetz, das den Stierkampf im gesamten Land verbietet. Dieses Gesetz tritt erst 2027 vollständig in Kraft, um der Stierkampfindustrie Zeit zu geben, sich umzustellen – diesmal ohne Tierquälerei. Damit war die mehr als zehnjährige Kampagne der Fondation Franz Weber (FFW) erfolgreich.
Um ein positives Votum im Parlament sicherzustellen, mussten Opfer gebracht werden. So wurden Corralejas (Stiere werden in einer Arena freigelassen, wo Zuschauer sie bewaffnet provozieren und jagen), Coleo (Reiter versuchen, ein Rind am Schwanz gewaltvoll zu Fall zu bringen) und Hahnenkämpfe (siehe Kasten) explizit vom Gesetzestext ausgenommen, um die Stierkampfanhänger bei Laune zu halten – für die FFW «ein notwendiges Übel» mit einem bitteren Beigeschmack.
Ein Weg mit Hindernissen
Wir wussten also bereits, dass ein schwieriger Weg vor uns lag und wir darum kämpfen müssten, diesen Fortschritt zu verteidigen. Die Stierkampfanhänger sind ebenso hartnäckig wie die grausamen «Traditionen». Und tatsächlich wurde uns nichts geschenkt, denn die Gegner des Gesetzes zogen vor das kolumbianische Verfassungsgericht, da die Abschaffung des Stierkampfs ihrer Meinung nach gegen die Verfassung verstiess.
Das Verfassungsgericht wurde nicht zum ersten Mal mit einem solchen Verbot befasst. Bereits 2012 hatte der aktuelle Präsident Gustavo Petro, damals Bürgermeister von Bogotá, die Stierkämpfe in der Hauptstadt vorübergehend abgeschafft. Ein Verbot, das jedoch vor Gericht gekippt wurde. Nach Auffassung des Verfassungsgerichts überschritt Petro mit diesem Beschluss seine Kompetenzen. Für uns und die mit uns befreundeten Organisationen war dies eine herbe Enttäuschung.
Das Verfassungsgericht geht noch einen Schritt weiter
Dieses Mal sind alle Voraussetzungen erfüllt: Der Text wurde ordnungsgemäss vom zuständigen Gesetzgebungsorgan angenommen. Das Verfassungsgericht hatte daher nichts zu beanstanden… ausser, dass das Gesetz nicht weit genug ginge! Nach Ansicht des Gerichts sind die Ausnahmen für Corralejas, Coleo und Hahnenkämpfe nicht gerechtfertigt und verstossen gegen die Grundsätze der Gleichheit und Verhältnismässigkeit. Mit anderen Worten: Zusammen mit dem Stierkampf müssen auch alle vergleichbaren Praktiken abgeschafft werden.
Damit wurde die Stierkampfindustrie Opfer ihres eigenen Starrsinns. Nicht genug damit, dass die Abschaffung des Stierkampfs bestätigt wurde – sie führte darüber hinaus zum Verbot einer ganzen Reihe anderer grausamen Praktiken!
Sieg auf ganzer Linie
Der Entscheid des Verfassungsgerichts ist umso wichtiger, als es ohne ihn sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich geworden wäre, die genannten anderen Praktiken abzuschaffen. Während der Stierkampf vor allem die städtischen Eliten begeistert, sind Hahnenkämpfe und Corralejas tief in der Volkstradition verwurzelt. Sie finden vor allem in Dörfern ohne Theater, Kino oder Kunstschule statt, wo die Gallera (Hahnenkampfarena) oft der einzige Ort ist, an dem die Menschen zusammenkommen.
Bis dahin hatten wir uns auf kleine Schritte eingestellt, auf Fortschritte von Fall zu Fall, von Dorf zu Dorf. Doch der Gerichtsentscheid hat die Karten neu gemischt, denn dank ihm können solche Praktiken nun erheblich schneller abgeschafft werden.
Das ist erst der Anfang
Obwohl wir uns sehr über diesen beeindruckenden Sieg freuen, wissen wir auch, dass die Arbeit jetzt erst anfängt. Die Erfahrungen in Katalonien und auf den Balearen, wo Fortschritte in der Gesetzgebung später von konservativen Gerichten rückgängig gemacht wurden, waren eine wichtige Lektion für uns. Noch schwieriger als solche Siege zu erringen, ist es, sie zu bewahren.
Bis 2027 muss Kolumbien einen ganzen Zweig seines kulturellen und wirtschaftlichen Systems neu erfinden. Die Arenen müssen umgewandelt, die damit verbundenen Arbeitsplätze neu definiert und kulturelle wie gesellschaftliche Alternativen entwickelt werden, die diesem Wandel Sinn und Legitimität verleihen.
Die Fondation Franz Weber unterstützt diesen tiefgreifenden Wandel in enger Zusammenarbeit mit den Ministerien für Kultur, Arbeit und Tourismus sowie mit den lokalen Gebietskörperschaften.
Erste Schritte sind die Umwidmung der Plaza de Toros von Tesalia und der Stierkampfschule von Bogotá.
Wo die Gewalt zurückgedrängt wird, keimt die Saat des Friedens
Der Entscheid des kolumbianischen Verfassungsgerichts ist ein Meilenstein in der Geschichte der Tierrechtsbewegung. Denn er markiert nicht nur das Ende des Stierkampfs, sondern zugleich den Beginn eines grundlegenden kulturellen Wandels. Die eigentliche Herausforderung besteht nun darin, dieses Gesetz konkret umzusetzen. Wenn es Kolumbien gelingt, dieses Verbot erfolgreich umzusetzen, wird das Land zum Vorbild für Mexiko, Peru und andere Staaten, in denen diese Praktiken weiterhin betrieben werden.
Wir haben unseren Beitrag dazu geleistet, Geschichte zu schreiben, die Gewalt zurückzudrängen und einen neuen Horizont für ein harmonisches Zusammenleben zwischen Mensch und Tier zu eröffnen. Darauf sind wir sehr stolz! Die Saat des Friedens wurde gesät; sie wird – früher oder später – aufgehen und unsere Gesellschaften verändern.
Was sind Corralejas, Coleo und Hahnenkämpfe?
Corralejas
Corralejas sind Volksfeste an der Karibikküste, bei denen Stiere in behelfsmässigen Arenen freigelassen werden, wo sie von dutzenden von Teilnehmern bewaffnet mit Stöcken, Messern oder Flaschen gejagt, gequält und verletzt werden. Für die erschöpften und blutüberströmten Tiere können diese Misshandlungen den Tod bedeuten. Ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen kommt es immer wieder auch für die Teilnehmer – und selbst für die Zuschauer – zu schweren Verletzungen oder sogar zum Tod.
Coleo
Beim Coleo wird ein Stier oder ein junges Rind zu Pferd gejagt, am Schwanz gepackt und mit Gewalt zu Boden geworfen. Den Tieren werden dabei schwere Verletzungen zugefügt: Brüche, ausgerenkte Glieder, innere Wunden. Der Coleo präsentiert sich als Reitsport, doch in Wirklichkeit geht es dabei um die Erniedrigung der Tiere, die zu Wettkampfgeräten degradiert werden. Anders als der Stierkampf findet der Coleo nicht in einer städtischen Arena statt, sondern auf freiem Feld.
Hahnenkämpfe
In den Galleras müssen zwei Hähne so lange aufeinander losgehen, bis einer von ihnen stirbt oder schwer verletzt ist. Dabei sind sie mit Metallsporen oder Klingen ausgestattet, die ihre Verletzungen noch verschlimmern. Die beinahe ausschliesslich männlichen Zuschauer geben Wetten ab, während sich die Hähne gegenseitig zerfleischen. Grausam sind dabei nicht nur das Blut und die Verstümmelungen, sondern auch die Tatsache, dass diese Tiere zu einem Leben in Gefangenschaft verurteilt sind.
Die FFW und der Kampf gegen den Stierkampf
Seit jeher bekämpft die Fondation Franz Weber (FFW) den Stierkampf in allen Ländern, in denen dieses grausame Spektakel noch existiert. Ihre Kampagne «¡Corrida Basta!» verzeichnet immer wieder wichtige Erfolge. So unterstützt die FFW mit ihrem Team in Kolumbien die Tierschutzorganisationen des Landes im Kampf gegen die Tierquälerei namens Corrida (dt. Stierkampf) und setzt sich dafür ein, diese grausame Praktik endlich abzuschaffen.
Die FFW konnte dabei auf ihre Erfahrungen in Katalonien bauen, wo sie 2010 an der Abschaffung der Stierkämpfe massgeblich mitbeteiligt war. Dank ihren politischen und juristischen Aktionen, ihrer Lobbyarbeit sowie Mobilisierung und Sensibilisierung der Bevölkerung, der Behörden und der Medien, hat die FFW in Kolumbien das erreicht, was viele für schlicht unmöglich hielten.