Franz Weber war ein Vorreiter im Natur- und Tierschutz. Mit seinen Kampagnen schrieb er Geschichte – national und international. Ihm zur Seite und stets auf Augenhöhe stand dabei seine Ehefrau Judith. Mit ihr gründete er vor 50 Jahren die Fondation Franz Weber (FFW).
Vom Journalisten zum Umweltschützer – Franz Webers Schicksalsstunde
Sechziger Jahre. Es ist die Zeit des begeisterten Investierens und Produzierens, des sorglosen Verbrauchens und Wegwerfens, des hemmungslosen Bauens und Betonierens. Es ist normal und richtig, dass auch der höchste Berggipfel, das verschwiegenste Tal, das lieblichste Ufer dem Zugriff des Menschen erschlossen wird und dessen Streben nach Wohlbefinden, Bequemlichkeit, Prestige und Profit zu Diensten stehen muss. Auch in Surlej, einem Ortsteil der Oberengadiner Gemeinde Silvaplana im Kanton Graubünden.
Und angesichts der fast überirdisch schönen, jungfräulichen Landschaft von Surlej am See von Silvaplana beschliesst im Zuge dieser Entwicklung ein Konsortium von Promotern: «Hier bauen wir eine Stadt! Eine Stadt für fünfundzwanzigtausend Einwohner!»
Geplant ist eine Art zweites St. Moritz. Parzelle um Parzelle wird den Bauern das Land abgehandelt. Auf Reissbrettern entstehen in den Architekturbüros die Wohnblöcke, Supermärkte, Kinos und Parkplätze der künftigen Stadt. Bagger, Bulldozer und Kräne fahren auf. Der Bauboom beginnt mit dem Bau der Corvatschbahn. «Und über Nacht wird in der schönsten Landschaft der Welt», so der Dichter Friedrich Nietzsche, «der hässlichste Parkplatz der Welt hingepflastert», erinnerte sich Franz Weber später an den Beginn seines Kampfes. Ja, Franz Weber, der Schweizer Weltenfahrer, dazumal Journalist in Paris, ist bis ins Innerste betroffen, als er im Oktober 1965 auf der Durchreise von Italien nach Paris im sanften Wiesenhang ob Surlej den Parkplatz der Corvatschbahn sieht, umgeben von einem Gewirr von Baugespannen.
An diesem Tag – oder vielmehr in dieser Nacht – schlug Franz Webers Schicksalsstunde. In dieser Nacht schwor er sich, die Oberengadiner Seenlandschaft zu retten. Er wusste damals nicht, dass aus diesem Entschluss ein Engagement für den Rest seines Lebens.
Der erfolgreichen Kampagne im Engadin folgten hunderte weitere in der Schweiz und in der ganzen Welt
Franz Weber organisiert eine intensive Medienkampagne und gründet den Verein «Pro Surlej». Mit ihm treibt er das nötige Geld auf, erwirbt zahlreiche, für das Bauvorhaben unerlässliche, Grundstücke und belegt diese mit einem ewigen Bauverbot. Mit dieser bis anhin nie dagwesener Aktion rettet Franz Weber die von Nietzsche besungene, wahrhaft einzigartige Engadiner Seenlandschaft. «Pro Surlej» steht am Anfang von hunderten Kampagnen zur Rettung von Tieren, Landschaften und Kulturdenkmälern.
«Wie wohl für die allermeisten Schweizerinnen und Schweizer sind Sie für mich die Verkörperung von Umweltschutz im weitesten Sinne, noch bevor diesem Begriff die heutige Popularität zuteilwurde», schrieb der ehemalige Schweizer Bundespräsident Moritz Leuenberger über den berühmtesten Umweltschützer der Schweiz. Und Jean Ziegler, ehemaliger Menschenrechts-Experte der UNO, bezeichnet Franz Weber als «einen der grössten und bedeutendsten Europäer unserer Zeit».
«Ich bin ein Lebensraumschützer», zog Franz Weber kurz vor seinem Tod in aller Bescheidenheit Bilanz über sein eindrückliches Leben und herausragendes Lebenswerk.
Judith Weber: Die Ehefrau und Mitstreiterin auf Augenhöhe
Nach der gelungenen Rettung des Surlej wurde Franz Weber aus der ganzen Welt zu Hilfe gerufen. 1971 trat dann Judith Kreis in das Leben des Umweltschützers. Sie weilte zu Besuch bei Freunden auf einem Bauernhof am Sempachersee. Die Bauern der Gegend hatten zufälligerweise am selben Tag den damals bereits berühmten Franz Weber wegen der Rettung der Surlej im Engadin zu Hilfe geholt – als Nothelfer gegen die zerstörerische Linienführung des geplanten Autobahnteilstückes zwischen Sempach und Sursee.
Dank Franz Webers Ideen und seiner Kampagne wurde die Linienführung positiv verändert, unter anderem mit zwei Tunnels. Diese sogenannte «zweite Schlacht von Sempach», wie Franz Weber sie nannte, bildete auch den Auftakt zu seiner ersten nationalen Volksinitiative «Demokratie im Nationalstrassenbau».
Judith Weber stand fortan an der Seite des Umweltschützers. «Wir bildeten eine Liebes- und Lebensgemeinschaft auf Augenhöhe», so Judith Weber. Zusammen stürzten sie sich in die letztendlich erfolgreichen Kämpfe gegen den geplanten Autobahnzubringer in Lausanne-Ouchy, für den Schutz des Lavaux sowie für die Rettung der Alpilles bei Les-Beaux-de-Provence.
Dass der Umweltschützer der ersten Stunde jedoch auch zu einem Tierschützer wurde, war allein Judith Webers Werk. Sie brachte ihn auf seine erste Tierschutz-Kampagne, den nach wie vor weltberühmten Kampf gegen die brutale Abschlachtung der Robbenbabys in Kanada. Sie begleitete ihn auf die ersten Reisen nach Kanada, als Co-Kampagnenleiterin und vor allem als Interview-Partnerin für viele Fernsehstationen, da Franz, im Unterschied zu ihr, der englischen Sprache nicht mächtig war.
So stand Judith – und nicht Franz Weber – bei den Auftritten in Kanada und New York im Zentrum des medialen Interesses. Und auch Jahre später, 1989 in Australien, war es Judith, die die Medien sowohl über die Rettung der Brumbies informierte als auch das Wildpferde-Reservat «Franz Weber Territory» auf der ehemaligen Rinderfarm Bonrook Station aufbaute.
Doch in Europa, und insbesondere in der Schweiz, war der Name Franz Weber längst zur Marke geworden – zu präsent, zu prägend, um noch Raum für eine «öffentliche» Judith Weber zu lassen.
Dabei war es genau diese stille, kraftvolle Partnerschaft, die vor 50 Jahren zur Gründung der Fondation Franz Weber führte.
Am Anfang stand die Rettung der Surlej-Landschaft im Engadin
«Pro Surlej» steht am Anfang von hunderten Kampagnen zur Rettung von Tieren, Landschaften und Kulturdenkmälern. Der verträumte Weiler «Surlej» mit rund 30 Menschenseelen sollte in eine Stadt mit 25’000 Einwohnern verwandelt werden. Franz Weber sagte diesem zerstörerischen Vorhaben den Kampf an und initiierte ab dem Jahre 1965 eine immense Medienkampagne.
Parallel dazu gründete er den Verein «Pro Surlej». Mit ihm wollte er das nötige Geld auftreiben, um seine einzigartige Idee umzusetzen: Statt die Bauherren und Baufirmen sollte der Verein die zahlreichen, für die Bauten unerlässlichen, Grundstücke kaufen und diese mit einem ewigen Bauverbot belegen.
Der Plan gelingt. Nicht zuletzt dank der von Franz Weber organisierten und moderierten Spenden-Gala im Grand Hotel Dolder in Zürich am 9. Juni 1971. Zahlreiche Prominente und einfache Leute sowie Politiker – darunter ein Bundesrat – gaben sich die Ehre zu Gunsten der von Nietzsche besungenen Engadiner Seelandschaft.
Bilanz des Abends: Die Summe von einer halben Million Schweizer Franken kam zusammen – in bar! Das entspricht inflationsbereinigt einem heutigen Wert von 1,5 Millionen Franken.
In den folgenden Wochen wurde der Betrag noch verdoppelt. Franz Weber war nun in der Lage, das Stück Land zu kaufen. Und die von dieser Dynamik überraschte und zugleich befeuerte Politikerkaste im Kanton Graubünden erliess eine Schutzverordnung für die ganze Engadiner Seenlandschaft.