Pupy und Kenya, einst die letzten in Argentinien in Gefangenschaft gehaltenen Elefantinnen, haben im Elefantenschutzgebiet in Brasilien endlich die Freiheit gefunden – ein Ort, an dem sie selbstbestimmt leben, Kontakte knüpfen und in Würde sein können. Leider durfte Pupy hier nur einige kostbare Monate verbringen, bevor sie am 10. Oktober 2025 plötzlich verstarb.
Ein langfristiges Projekt
Mehr als ein Jahrzehnt lang arbeitete die Fondation Franz Weber mit den Behörden, Partnerorganisationen und dem Team des brasilianischen Elefantenschutzgebiets zusammen, um die Haltung von Elefanten in Argentinien zu beenden. Das Projekt war ebenso ehrgeizig wie konkret: Jeder einzelne Elefant musste mit grösster Sorgfalt vorbereitet und alle erforderlichen Genehmigungen eingeholt werden, um die Tiere an einen für sie geeigneten Ort umzusiedeln.
Ein Neuanfang
Pupy, die lange Zeit im Ecoparque von Buenos Aires gefangen gehalten wurde, während Kenya im Ecoparque von Mendoza eingesperrt lebte, waren sie die zwei letzten Afrikanischen Elefantinnen in Argentinien. Ihre Umsiedlung ins Elefantenschutzgebiet von Brasilien (SEB) im Bundesstaat Mato Grosso (siehe Kasten) markierte das Ende der Haltung von Elefanten in Argentinien – und bot Pupy und Kenya nach jahrzehntelanger Gefangenschaft endlich die Möglichkeit, aus freiem Willen heraus einen anderen Elefanten kennenzulernen.
Alltag im Elefantenschutzgebiet
Für die zwei Elefantendamen war es ein kompletter Neuanfang. Bis dahin hatten sie ohne Artgenossen und unter für sie sehr ungünstigen klimatischen Bedingungen in winzigen künstlichen Gehegen verbracht. Im Elefantenschutzgebiet steht ihnen nun ein abwechslungsreiches Gelände zur Verfügung, das ihren Bedürfnissen gerecht wird. Pupy fand heraus, was für ein Vergnügen es ist, lange friedliche Spaziergänge zu unternehmen, Hänge und Baumgrenzen zu erkunden und sich ihre Nahrung aktiv zu suchen. Die Pflegerinnen und Pfleger stellten fest, dass sie gelassener wurde und ihren Radius schrittweise erweiterte – ein Zeichen dafür, dass sich ihre anfängliche Wachsamkeit allmählich in Vertrauen verwandelte.
Auch Kenya machte in den ersten Monaten diese Erfahrung. Sie lernte, welche Wonne es ist, nach dem Frühstück ein entspannendes Sandbad zu nehmen ebenso wie regelmässige Schlammbäder und lange Spaziergänge in den Hügeln zu geniessen. Auch ihr Gang wurde auf dem natürlichen Boden fliessender und freier. Mit messbarem Erfolg: Ihre Füsse erholten sich, die Gelenke wurden geschmeidiger, ihre Atmung ruhiger und sie begann sich natürlicher und arttypischer zu verhalten – eine wunderbare Heilung, die in Gefangenschaft niemals möglich gewesen wäre.
Zwei Riesinnen schliessen Freundschaft
Mit wachsendem gegenseitigem Vertrauen entwickelte sich eine Verbindung zwischen Pupy und Kenya. Nach Kenyas Ankunft wurden die zwei Elefantinnen in benachbarten Gehegen untergebracht, damit sie selbst entscheiden konnten, in welchem Masse sie Kontakt aufnehmen oder Distanz halten wollten. Kenya näherte sich oft mit der Begeisterung eines Elefanten, der seit Jahrzehnten keinen Artgenossen mehr gesehen hatte, während Pupy, die bereits mit dominanteren Gefährtinnen zusammengelebt hatte, klare Grenzen setzte.
Ihre ersten Begegnungen entlang der Gehege nach der routinemässigen Versorgung verliefen ruhig: Sie riefen sich ein paar Mal diskret zu, verweilten lange still nebeneinander bevor sie sich dann freiwillig wieder zurückzogen. Der erste Körperkontakt war kurz und friedlich; Pupy lehnte ihr Hinterteil sanft an Kenyas Schulter. Dann fingen sie an, öfter und länger den Kontakt zu suchen, behielten es sich aber vor, getrennt voneinander zu schlafen, wenn ihnen das sicherer erschien. Ziel des Teams war es nicht, Eintracht zu erzwingen, sondern Bedingungen zu schaffen, die den Tieren die freie Wahl liessen.
Wahlfreiheit als Grundbedürfnis
Für hochsoziale Tiere wie Elefanten ist die Wahl ihrer Gefährten kein Luxus, sondern ein absolutes Grundbedürfnis. Im Elefantenschutzgebiet in Brasilien können die Bewohner frei entscheiden, wann und auf welche Weise sie zusammen sein möchten. Diese auf gegenseitigem Einvernehmen beruhenden Interaktionen fördern das Vertrauen und ermöglichen den Elefanten, ihre individuelle Persönlichkeit voll auszuleben. Egal, ob sie sich mit Lauten austauschen, Seite an Seite gehen, gemeinsam fressen oder sich in Sichtweite voneinander ausruhen – sie folgen dabei stets ihren persönlichen Vorlieben und Bedürfnissen.
Diese selbstbestimmte Sozialisierung fördert langfristig stabilere Routinen und erweitert das Spektrum der natürlichen Verhaltensweisen. Sich frei für Kontakte entscheiden zu können, bildet die Basis für ein gesundes und artgerechtes Leben.
Wir haben unser Versprechen gehalten
Mit der Umsiedlung von Pupy war der letzte im Ecoparque von Buenos Aires in Gefangenschaft lebende Elefant befreit. Und Kenyas Verlegung markierte das Ende der Gefangenschaft von Elefanten in Argentinien insgesamt. Unsere Kampagne, die mit den ersten Umsiedlungen – zuerst von Mara, dann von Pocha und Guillermina – begann, war mit diesen beiden Elefantinnen abgeschlossen. Damit haben wir unser Versprechen gehalten: Argentinien zu einem Land zu machen, in dem keine Elefanten mehr gehalten werden, und zu einem Vorbild, das Erfolg nicht an der Zurschaustellung von Tieren, sondern an ihrem Wohlergehen misst.
Abschied von Pupy: Ein Leben zwischen Gefangenschaft und Freiheit
Am 10. Oktober 2025, sechs Monate nach ihrer Ankunft im Schutzgebiet, erreichte uns die herzzerreissende Nachricht von Pupys plötzlichem Tod.
In den Tagen vor ihrem Tod bemerkten die Pflegerinnen und Pfleger, dass sie sich mehr und mehr zurückzog und sich ihre Magen-Darm-Beschwerden plötzlich verschlimmerten. In ihrem Stuhl fanden sich kleine schwarze Steine, die in der Umgebung des Schutzgebiets nicht vorkamen. Pupy brach zusammen und starb kurz danach trotz der Wiederbelebungsversuche des Tierarztteams.
Kenya wich bis zuletzt nicht von ihrer Seite. Die Pflegerinnen und Pfleger erlaubten ihr, in der Nähe von Pupys Körper zu bleiben, wo sie still über sie wachte. Dieser sehr sanfte Moment zeigt, wie tief die Bindung zwischen den beiden Elefantinnen war, die so viele Jahre in Einsamkeit gelitten hatten.
Doch bevor Pupy ging, durfte sie endlich erfahren, was Freiheit bedeutet. In diesen letzten Monaten entdeckte sie, was sie nie zuvor gekannt hatte: ausreichend Platz, die Freiheit, ihre Nahrung selbst zu suchen, freiwilligen Kontakt mit einer Elefantin zu knüpfen und in Respekt und Würde zu leben.
Derzeit wird eine Nekropsie durchgeführt, um die genaue Todesursache von Pupy zu klären. Wir werden die in einigen Wochen vorliegenden Ergebnisse öffentlich bekannt geben.
Eine der traurigen Schattenseiten der Arbeit in Schutzgebieten: Die dort aufgenommenen Elefanten sind alt und von jahrzehntelanger Gefangenschaft tief gezeichnet. Sie mussten in ungeeigneten Gehegen leben – oft völlig isoliert und ohne angemessene Ernährung sowie medizinische Versorgung.
Im Schutzgebiet führen die Elefanten ein Leben in Würde
Die Fakten sind eindeutig: Für Elefanten sind ein weitläufiges Gelände, eine vielfältige und abwechslungsreiche Umgebung, freie Wahlmöglichkeiten und die Möglichkeit, soziale Beziehungen zu knüpfen, kein Privileg, sondern ein Grundbedürfnis. Die Gefangenschaft – sei es im Zoo oder im Zirkus – kann ihnen dies niemals bieten. Schutzgebiete dagegen schon.
Dies hat die Fondation Franz Weber in Argentinien bewiesen, wo das Ende der Haltung von Elefanten in Gefangenschaft nun eine landesweite Realität ist. Was als Kampagne begann, hat sich zu einem Modell des Lebens entwickelt, durch das Elefanten endlich artgerecht leben können. Dieser Erfolg ist wegweisend, denn er zeigt, dass es mit Willenskraft, Kooperation und Fachwissen gelingen kann, diesen Tieren ein zweites Leben in Würde und Respekt zu bieten.
Daher arbeiten wir mit jeder Regierung oder Institution zusammen, die diesen Schritt gehen will. Wir teilen unsere Erfahrungen mit ihnen, von den rechtlichen Gegebenheiten und Bewilligungen bis hin zu Schulungen für den Transport und grenzüberschreitende Logistik. Unser Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass die Haltung von Elefanten in Gefangenschaft auf der ganzen Welt bald der Vergangenheit angehört.
Das Paradies der befreiten Elefanten von Mato Grosso
Das Santuário de Elefantes Brasil (SEB) ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in der Gemeinde von Chapada dos Guimarães, im Bundesstaat Mato Grosso. Bislang in Gefangenschaft gehaltene Elefanten finden hier einen neuen Lebensraum, in dem ihnen die Bedingungen und die Pflege geboten werden, dank der sie sich körperlich und emotional von ihrer jahrelangen Gefangenschaft erholen können. Aktuell hat das Schutzgebiet sechs Bewohnerinnen: die asiatischen Elefantinnen Maia, Rana, Mara, Bambi und Guillermina sowie Kenya, die nun nach dem Tod von Pupy die einzige Afrikanische Elefantin auf dem Gelände ist. Sie alle wurden gerettet, nachdem sie mehrere Jahrzehnte in Zirkussen und Zoos eingesperrt waren.
Abschiedsgruss des brasilianischen Elefantenschutzgebiets für Pupy
Pupy war eine Elefantin, deren Blick einen in seinen Bann zog und tiefe Emotionen offenbarte. Sie war von Anfang an neugierig, erkundete das Schutzgebiet auf der Suche nach allem, was neu für sie war. Schlamm war eine wundervolle Entdeckung für sie und die bis dahin weit entfernten und unerreichbaren Bäume waren nun endlich in Reichweite.
Wir können niemals vorhersagen, wie lange ein Elefant im Schutzgebiet leben wird, und Pupy hätte definitiv mehr verdient als nur ein halbes Jahr. Aber, wie wir oft sagen: Ein einziger Tag im Schutzgebiet kann ein Leben verändern.
Pupy konnte sich nicht vollständig von den Folgen ihrer jahrzehntelangen Gefangenschaft erholen, doch es gelang ihr mit unglaublicher Kraft, ein neues Leben anzunehmen – und eine neue Schwester, nämlich Kenya.
Auch wenn es uns das Herz bricht, so sind wir doch dankbar, dass wir ihr diese Verwandlung von Gefangenschaft in Freiheit ermöglichen konnten. Wir wurden Zeugen davon, wie Pupy sich der Welt öffnete und sich auf eine echte Beziehung mit einer anderen Elefantin langsam einliess, die sie so liebte wie sie war. Und obwohl es uns heute schwer fällt, zu lächeln, haben wir uns dazu entschlossen, Pupy und ihr sonniges Gemüt in Ehren zu halten – eine Elefantin, die so viel gegeben hat, selbst denen, die sie niemals kennengelernt hat.
Ihr Leben ruft uns eindringlich ins Gedächtnis, warum wir weiterhin für Elefanten in Gefangenschaft kämpfen müssen. Pupys Weg bis zum Elefantenschutzgebiet von Brasilien zeugt von ihrem ungeheuren Lebenswillen und ihrer Fähigkeit, einem Ort zu entkommen, an dem sie niemals hätte sein dürfen. Ihre Geschichte verdeutlicht auf berührende Weise, dass Schutzgebiete unerlässlich sind, um das Leben dieser herrlichen Geschöpfe zu schützen.
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