Wer nach Bonrook kommt, fährt etwa fünf Kilometer vom Stuart Highway bis zum Homestead – die ersten vier Kilometer auf Asphalt, den Rest auf einer einfachen Naturstrasse. Auf meine Frage: «Was habt ihr unterwegs gesehen?», antworten die meisten: «Nichts.» Doch wer mit offenen Augen unterwegs ist, entdeckt eine erstaunliche Vielfalt an Wildtieren – manche nur zu bestimmten Jahreszeiten.
Gefiederte Nachbarn
Ich freue mich besonders, wenn ich in der Regenzeit die seltenen und gefährdeten Kapuzenpapageien (Psephotus dissimilis) entdecke. Sie nisten in grossen Termitenhügeln, immer auf der Westseite, so sind sie besser vor Buschbränden geschützt, die meist aus östlicher Richtung kommen. Â
Auch der Graulaubenvogel (Ptilonorhynchus brevirostris) ist aktiv. Ich sehe seine kunstvoll geschmückten Nester oft im dichten Unterholz am Strassenrand. Das Männchen übernimmt dabei die ganze Arbeit, um ein Weibchen zu beeindrucken und anzulocken.Â
Wenn sich die Regenzeit ankündigt, tauchen auch die eleganten Brolgakraniche (Grus rubicunda) mit ihren Familien auf. Sie bleiben bis der Regen richtig einsetzt und ziehen dann tiefer in den Busch.
In der frühen Trockenzeit zeigt sich täglich der Australische Bustard, auch Buschtruthahn genannt (Ardeotis australis). Oft sehe ich Männchen, die auf Brautschau selbstbewusst entlang der Strasse stolzieren.
Sehr selten hingegen begegnet mir ein Emu (Dromaius novaehollandiae). Das ist ein Highlight! Trotz ihrer Grösse und Erscheinung sind Emus meist zurückhaltend, aber wenn sie sich bedroht fühlen, können sie überraschend schnell und aggressiv werden. Es ist immer ein unvergesslicher Moment, einen dieser majestätischen Vögel in der freien Wildbahn zu beobachten.
Reptilien am Strassenrand
In den warmen Monaten begegnet mir manchmal die Nördliche Braunschlange (Pseudonaja nuchalis) – eine hochgiftige Schlange, die während der kühlen Trockenzeit inaktiv ist. Einst fast ausgerottet durch die giftige Aga-Kröte, doch heute erholen sich ihre Bestände wieder.
Auch der Kragenechse (Chlamydosaurus kingii) begegne ich wieder häufiger. Sie flitzt über die Strasse oder sitzt ruhig an Baumstämmen. Auch sie war durch die Aga-Kröte fast verschwunden, doch ihre Bestände erholen sich inzwischen erfreulich gut.
In den kleinen Bächen entlang der Einfahrt entdecke ich manchmal den seltenen Mertens-Wasserwaran (Varanus mertensi). Kleiner als der Sandwaran, aber genauso faszinierend, gehört er heute zu den gefährdeten Arten – ebenfalls Opfer der Aga-Kröte.
Neugierige Dingos und hüpfende Beuteltiere
Frühmorgens sehe ich oft Dingos in ihren Familiengruppen am Strassenrand schnüffeln. In stillen Nächten höre ich ihr Heulen vom Homestead aus – manchmal aus Kilometern Entfernung. Ein wildes Konzert, das die Weite dieser Landschaft wunderbar unterstreicht. Â
Während der Trockenzeit muss ich besonders aufmerksam fahren: Wallabys tummeln sich oft auf der Strasse, immer in Familiengruppen. Besonders schön ist es, wenn ich ein Junges (engl. Joey) im Beutel seiner Mutter entdecke. Â
Auch Kängurus entdecke ich ab und zu, wenn auch seltener. Die Art hier heisst Antilopine-Känguru (Macropus antilopinus). Sie sind nicht so gross wie die Roten Kängurus (Macropus rufus) Zentralaustraliens, aber gut angepasst an die offenen Flächen entlang unserer Strasse. Mit ihrem schlanken Körperbau und den langen Beinen sind sie exzellente Springer, die sich mühelos über das Gelände bewegen und dabei ihre beeindruckende Geschwindigkeit ausspielen.
Begegnungen mit Brumbys, Wasserbüffeln und wilden Rindern
Die einzigen nicht einheimischen Tiere, die ich an Bonrooks Strassenrand entdecke, sind Brumbys, Wasserbüffel und Wilde Rinder. Brumbys sehe ich das ganze Jahr über – in Familien- oder Junggesellengruppen. Die neugeborenen Fohlen in der Regenzeit sind ein besonders erfreulicher Anblick. Wenn ich an einem Leithengst langsam vorbeifahre, kann es gut sein, dass er sich demonstrativ aufplustert – mit geblähten Nüstern und stolz erhobenem Kopf, ganz nach dem Motto: «Hier bin ich der Chef!»
In der Regenzeit tauchen Wasserbüffel (Bubalus bubalis) in Familiengruppen bis zu zehn Tieren auf. Sie lieben es, sich in den Bächen entlang der Strasse im Schlamm zu suhlen. Der Bulle hält meist Abstand zur Herde und erfordert beim Vorbeifahren erhöhte Vorsicht, denn er kann unberechenbar sein.
Wilde Rinder streifen das ganze Jahr über durch die Gegend, meist in kleinen Gruppen. Sie sind zwar nicht so aggressiv wie die Büffel, aber ich beobachte sie genau; vor allem die alten, ausgestossenen Bullen, die gemächlich und imposant ihres Weges ziehen.
Langsam fahren lohnt sich
Bei jeder Fahrt entdecke ich neue Spuren, Bewegungen oder Tiere. Wer hier zu schnell fährt, verpasst nicht nur die Schönheit der Natur, sondern riskiert auch Tierleben. Deshalb: langsam fahren, genau hinschauen – es lohnt sich. Â