Blutend, verängstigt und ausgehungert fanden wir das Pferd vor. Sein Auge war blutüberströmt, sein Körper geschwächt, und sein Vertrauen in Menschen zerstört. Wochen voller tierärztlicher, juristischer und logistischer Herausforderungen folgten, um ihn endlich in Sicherheit auf unseren Gnadenhof Equidad zu bringen. Dies ist die Geschichte von Horus.
Jahrelang kannte niemand seinen Namen. An einen Pfahl angebunden, unter der erbarmungslosen Sonne eines kleinen Städtchens in Argentinien, war der Wallach Horus ständiger Vernachlässigung und Misshandlung ausgesetzt. Er wurde regelmässig geschlagen, blieb ohne Futter und Wasser zurück und war Bedingungen ausgesetzt, die kein Tier ertragen sollte. Für die meisten war seine Existenz unsichtbar – bis sich ein Nachbar, erschüttert über seinen Zustand, an uns wandte.
Unser Team reagierte sofort, leistete tierärztliche Notversorgung und leitete gleichzeitig ein komplexes juristisches Verfahren ein, um seine Überstellung in den Gnadenhof Equidad zu sichern. Die erste Untersuchung zeigte ein abgemagertes Pferd mit einem stark entzündeten, blutigen Auge, das von Fliegenlarven befallen war und deutliche Anzeichen langanhaltenden Leidens trug. Er hatte Angst – vor Händen, Seilen, der Anwesenheit von Menschen. Seine Reaktion auf Berührung war kein Widerstand, sondern Überlebensinstinkt.
Rettung unter Druck
Der Weg in die Sicherheit war lang und emotional aufreibend. Obwohl wir ihn sofort unterstützten und versorgten, beanspruchten andere Horus rechtlich für sich, was ein schwieriges bürokratisches Verfahren auslöste. Wochenlang leitete unser Direktor eine intensive Koordination – er verhandelte mit den Behörden und kämpfte darum, die Rettung endlich zu ermöglichen. Währenddessen versorgte unser Team ihn provisorisch mit Behandlungen und Futter – stets in der Ungewissheit, ob wir ihn jemals nach Equidad bringen dürften.
Schliesslich erteilte ein Richter uns die offizielle Erlaubnis zur Rettung. Das Team bereitete alles vor: Die Logistik wurde koordiniert, ein Transportanhänger mobilisiert, und unsere Mitarbeitenden machten sich auf den Weg. Doch kurz vor dem Ziel griff ein zweiter Richter überraschend ein und hob die Genehmigung wieder auf. Der Einsatz musste mittendrin abgebrochen werden. Es war einer der frustrierendsten und entmutigendsten Momente des gesamten Prozesses.
Nach vielen weiteren zermürbenden Gesprächen und Formalitäten kam schliesslich die endgültige Genehmigung. Und so konnten wir Horus unter strenger Aufsicht auf unseren Gnadenhof Equidad überführen. Die Fahrt markierte den Beginn einer langen und anspruchsvollen Rehabilitations- und Heilungsphase.
Ein komplexer medizinischer Fall
Bei seiner Ankunft wurde Horus von unserem Tierärzteteam gründlich untersucht. Der Tumor an seinem Augenlid war stark gewachsen und verschlimmerte sein Leiden. Blutanalysen zeigten Anämie, Anzeichen von Leberbelastung und Spuren langjähriger Unterernährung. Sein Zustand war kritisch – aber nicht hoffnungslos.
Der erste Schritt war die Stabilisierung. Sofort erhielt er eine Ernährungsunterstützung, innere und äussere Entwurmung, Antibiotika und entzündungshemmende Mittel. In den darauffolgenden Wochen begann sein Körper zu reagieren. Er nahm an Gewicht zu, sein Fell erholte sich, und er begann langsam und sehr vorsichtig mit seiner neuen Umgebung zu interagieren.
Schliesslich führte unser Tierärzteteam, unterstützt von den weiteren Mitarbeitenden, eine heikle Operation durch, bei der der Tumor entfernt wurde. Durch den Druck des Tumors war das Auge tief in die Augenhöhle gedrückt worden, wir versuchen es nun zu retten. Vorerst bleibt Horus Auge verschlossen.
Dies war ein Meilenstein auf seinem Weg zur Genesung. Doch der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Horus erhält weiterhin medizinische Versorgung und wird sorgfältig überwacht, damit seine langfristige Gesundheit gesichert ist.
Mehr als nur eine Rettung
Die Rettung von Horus ging weit über das Retten eines einzelnen Pferdes hinaus; sie stellte die Belastbarkeit, Koordination und das Engagement unseres gesamten Teams auf eine harte Probe. Von juristischen Auseinandersetzungen bis zu medizinischen Herausforderungen verlangte dieser Fall alles von uns. Es war eine extrem schwierige Mission, emotional zermürbend und organisatorisch höchst anspruchsvoll.
Doch all dies war notwendig. Horus steht für ein Prinzip, das wir konsequent verteidigen: Tiere sind keine Sachen, die man misshandeln oder wegwerfen darf. Sie sind fühlende Lebewesen, die Fürsorge, Respekt und Sicherheit verdienen.
Der Weg nach vorn
Heute ist Horus auf Equidad stärker. Er hat an Gewicht zugelegt, der Tumor wurde weitgehend entfernt, und er erlebt nun Momente des Friedens, die früher undenkbar waren. Doch er trägt noch immer die Spuren seiner Vergangenheit – körperlich wie seelisch. Seine Behandlung geht weiter, ebenso wie unsere juristische Arbeit, um seinen dauerhaften Schutz zu sichern.
Dies ist keine Geschichte einer plötzlichen Verwandlung, sondern einer stetigen Entwicklung – ermöglicht durch ein Team, das niemals aufgibt. Dank unserem Gnadenhof Equidad sind Rettungen wie die von Horus möglich. Es ist ein Ort, an dem jede Tiergeschichte Gehör findet und in etwas Positives verwandelt werden kann. Indem wir diese Geschichte erzählen, wollen wir nicht nur heilen, sondern auch inspirieren – damit mehr Menschen verstehen, mitfühlen und handeln für jene, die selbst nicht sprechen können.