05.07.2021
Dr. Adam Cruise

Namibias Wüstenelefanten sind vor dem Aussterben

Namibias berühmte Wüstenelefanten sind akut vom Aussterben bedroht. Hauptverantwortlich dafür ist die Trophäenjagd. Hinzu kommt eine Dürre sowie das Missmanagement im Naturschutz sowohl auf lokaler Ebene als auch von Seiten der Regierung.

In der riesigen 115 000 Quadratkilometer grossen Kunene-Region im trockenen Nordwesten Namibias lebt eine Population von Elefanten, die sich auf bemerkenswerte Weise an die Wüste angepasst hat. Es handelt sich dabei um die einzigen Elefanten ihrer Art, die südlich der Sahara in Afrika zu finden sind.

Es ist ein Gebiet mit überwiegend sandigen und steinigen Ebenen sowie felsigem Gebirge. Mit den Tieren koexistieren kleine Gruppen von Nomaden, so genannte Landgemeinschaften, sowie einige kommerzielle Viehzüchter. Namibias Wüstenelefanten leben seit Jahrtausenden in diesem Gebiet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es 3 000 Elefanten, die in der Kunene-Region umherzogen.

In den 1980er-Jahren war ihre Zahl jedoch auf etwa 300 Tiere geschrumpft. Diese Tragödie ist vor allem auf die Wilderei zurückzuführen.

Es geht nach wie vor um das Elfenbein und es hat auch viel mit der Überjagung seitens der südafrikanischen Streitkräfte zu tun, die in den 1970er und 1980er-Jahren in diesem Gebiet wüteten.

Um die Elefanten und andere Wildtiere der Wüste zu retten, wurden entsprechende Schutzmassnahmen durchgeführt. Kurz nach der Unabhängigkeit Namibias im Jahr 1990, erweiterte die Regierung die geregelten Nutzungsrechte für Wildtiere auf die ländlichen Gemeinden in der Kunene-Region.

Diese bildeten daraufhin Managementeinheiten, die als «Communitybased Conservancies» bezeichnet werden. Infolge dieser Massnahmen konnte die Zahl der Elefanten bis 2013 wieder auf etwa 600 Tiere ansteigen.

Problem Trophäenjagd
Leider sind die Wüstenelefanten seit zehn Jahren wieder bedroht. Das gemeindebasierte Modell für ein Schutzgebiet, das zur Erholung der Elefantenpopulation in der Kunene-Region beigetragen hatte, bildet nun fatalerweise die Hauptursache für deren Rückgang. Die ursprüngliche Absicht des Schutzmodells war, sowohl die Wildtiere zu erhalten als auch die marginalisierte ländliche Bevölkerung Namibias zu unterstützen, die unter Armut leidet. Damit die verarmten Gemeinden einen finanziellen Nutzen für die rund zwei Dutzend kommunalen Schutzgebiete des Kunene haben, werden die Elefanten oft von Trophäenjägern aus aller Welt geschossen, die dafür bis zu 50 000 Schweizer Franken bezahlen.

Die Jagd auf Grosswild ist ein lukratives Geschäft in Namibia, denn landesweit gilt eine Quote von bis zu 90 Elefanten, die pro Jahr als Trophäe erlegt werden darf. Die Trophäenjagd wird einerseits als Erfolgsgeschichte gepriesen und andererseits als «notwendiges Übel» betrachtet – damit der wirtschaftliche Wert der Natur erhalten und die Wildtierpopulationen und deren Lebensräume geschützt werden können. Laut namibischer Regierung muss die Natur deshalb profitabel sein und die Interessengruppen müssen die Investitionen auf allen Ebenen (ob lokale Gemeinden oder internationale Safariveranstalter) als Rendite betrachten.

Konfliktherd Wasserstellen
Die Trophäenjagd wird auch damit gerechtfertigt, den Konflikt zwischen Mensch und Elefant zu reduzieren. In der trockenen Kunene-Region zerstören Elefanten oft die Wasseranlagen, die ganze Dorfgemeinschaften mit Trinkwasser versorgen. Oft sind es männliche Tiere, die dann von Trophäenjägern gezielt gejagt werden. Fehlt es an zahlenden Kunden, werden Elefanten von einem beauftragten Beamten erschossen, wenn sie wiederholt Wasserinstallationen in Beschlag nehmen.

Trophäenjagd bedroht Population
Leider hat die Trophäenjagd nun dazu geführt, dass die ohnehin fragile Elefantenpopulation im Kunene zusammengebrochen ist. 2016 wurden bei einer Luftaufnahme nur noch 277 Elefanten in der Region gezählt. Besorgniserregend ist dabei das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Elefanten. Von 277 Tieren wurden nur 22 Männchen gezählt, das sind weniger als zehn Prozent. Der Mangel an Männchen wird grossen Einfluss auf die Stabilität und Stärke dieser isolierten Population haben. Infolge einer schweren Dürre, die in den letzten fünf Jahren herrschte, werden also weit mehr Elefanten sterben als diese zur Welt kommen.

Eine Studie von Elephant-Human Relations Aid (EHRA) aus dem Jahr 2020 hat gezeigt, dass sich der alarmierende Trend fortsetzt. Im Süden der Kunene-Region entlang des Ugab-Flusses gibt es extrem wenige erwachsene Kühe und noch weniger erwachsene Bullen. Seit 2017 wurden drei Bullen im Hauptzuchtalter geschossen – zwei als Problemtiere und einer als Trophäe. Ein weiteres junges Männchen von 19 Jahren wurde als Problemtier erschossen. Im südlichen Kunene-Gebiet gibt es nur noch einen Zuchtbullen. Der Mangel an Zuchtbullen bereitet für die Population der Wüstenelefanten Anlass zu grosser Sorge.

Faktor Dürre
Aufgrund von Dürre und dem vom Menschen verursachten Stress liegt die Kälbersterblichkeit im südlichen Teil der Kunene-Region bei schwindelerregenden 100 Prozent. Das bedeutet, dass seit 2014 keine neuen Elefanten zur Population hinzugekommen sind. Informationen von lokalen Farmern, Gemeindemitgliedern und Biologen deuten darauf hin, dass die Gesamtpopulation aktuell weniger als 200 Elefanten betragen könnte.

Geringer finanzieller Nutzen
Darüber hinaus haben jüngste Feldforschungen des Autors gezeigt, dass die Gemeinden innerhalb der Schutzgebiete, die auf finanzielle Vorteile aus der Trophäenjagd hoffen, nur sehr geringe oder gar keine Einnahmen erhalten. Normalerweise müssten ca. 20 Prozent der Gesamtgebühr an das Management des Reservats gehen. In Kunene sollen die Schutzgebietsverwaltungen diese Gelder entweder als direkte Zahlungen oder zur Finanzierung von Schulen und Kliniken verwendet werden. In den meisten Fällen verschwinden die Gelder jedoch in den Händen einiger weniger korrupter Beamter.

In den kommerziellen Farmgebieten ausserhalb der Schutzgebiete geht es den Wüstenelefanten noch schlechter. Die Farmer verfolgen die Elefanten aktiv, weil sie Zäune und Wasseranlagen zerstören. Da in der Regel einsame Bullen die Täter sind, werden sie auch am meisten verfolgt, was dazu beiträgt, dass es so wenige männliche Elefanten gibt.

Verkauf von lebenden Elefanten
Zu allem Übel hat die namibische Regierung letztes Jahr bekannt gegeben, dass sie an die 80 Elefanten, die durch die kommerziellen Farmgebiete der Kunene-Region ziehen, einfangen und entfernen will. Ein Plan sieht vor, dass etwa sechs Familiengruppen und zwölf einzelne Männchen an nationale und internationale Kunden mit sattem Gewinn verkauft werden. Lebende Elefanten werden für 20 000 bis 30 000 Schweizer Franken verkauft.

Die Reduzierung von 80 Elefanten aus einer Population, die bereits unter drastischen Verlusten leidet, wird die letzten verbliebenen Wüstenelefanten Namibias aussterben lassen. Das muss verhindert werden!

Der Wüstenelefant – ein angeasster Ãœberlebenskünstler
Wüstenelefanten unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von anderen afrikanischen Elefanten, obwohl sie genetisch betrachtet zur gleichen Gattung zählen. Sie haben sich lediglich an das Leben in der Wüste angepasst und haben dadurch relativ breitere Füsse, längere Beine und kleinere Körper als ihre afrikanischen Verwandten. Ihre Ernährung variiert mit der Jahreszeit und ihrem Aufenthalt zwischen Bergen und sandigen Ebenen, wo es um die Verfügbarkeit von Nahrung und Wasser geht. Sie sind in der Lage, nachts bis zu 70 Kilometer zu laufen, um Wasserstellen zu finden. In der Regenzeit bevorzugen sie Knospen und frische grüne Blätter, in der Trockenzeit ernähren sie sich von resistenten Pflanzen wie Kameldornbäumen, Myrrhensträuchern sowie Mopane- und Anabäumen. Anders als die meisten anderen Elefanten, kann der Wüstenelefant bis zu drei Tage ohne Wasser auskommen. Die familiär strukturierten Gruppen sind klein und bestehen meist aus einem dominanten Elefantenweibchen, der Matriarchin, deren Nachwuchs oder zwei Schwestern und ihren Jungen. Ausgewachsene männliche Elefanten sind in der Regel Einzelgänger und wandern über grössere Entfernungen. Sie halten sich alle in der Nähe von trockenen Flussbetten auf, wo das Nahrungsangebot grösser ist.

 

Mehr Informationen:

  • Unsere Projektseite «Elefantenschutz»
  • Unsere Projektseite «Elfenbeinhandel»
  • Dieser Artikel wurde erstmals im Journal Franz Weber 136 publiziert. Die PDF-Version aller bisheriger Journale finden Sie hier.
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