20.12.2022
Dr. Monica V. Biondo

Offener Brief anlässlich des geplatzten Grossaquariums «AquaDom»: Weiteres Grossaquarium-Projekt in der Rummelsburger Bucht muss verhindert werden!

Sehr geehrter Damen und Herren

Bezugnehmend auf das geplatzte Grossaquarium «AquaDom», dem grössten Zylinderaquarium der Welt im Radisson Blue in Berlin, möchte ich auf das Vorhaben von Coral World in Lichtberg hinweisen, wo ein Hotelkomplex mit Grossaquarium geplant ist.

Praktisch alle Meeresfische, die in einem Aquarium schwimmen, sind Wildfänge, wurden einem Korallenriff entnommen. Dabei sterben viele Fische beim Fang, Transport oder später im Aquarium. Als promovierte Zoologin, die Ihre Doktorarbeit zum Handel mit marinen Zierfischen (Korallenfische) geschrieben hat, weiss ich, dass Schauaquarien kaum einen Nutzen für die Erhaltung der Arten haben. Von den rund 2’500 marinen Zierfischarten, die sich im Handel befinden und die sowohl in Gross- wie auch Privataquarien gehalten werden, pflanzen sich nur rund zwei Dutzend in kommerzieller Zahl in Gefangenschaft fort. Die meisten davon sind Anemonenfische («Nemos») und Seepferdchen. Heute wissen wir alle, dass Korallenriffe durch die Klimaerwärmung hochbedroht sind. Ein Drittel der Korallenriffe ist schon unwiderruflich zerstört und bis 2050 werden wir gemäss dem IPCC/Klimarat bis zu 99% verlieren. Insofern sind alle Korallenfische ebenfalls stark bedroht.

Jährlich werden zwischen 15 – 30 Millionen, einige Studien sagen sogar 150 Millionen, marine Zierfische weltweit gehandelt. Deutschland allein importiert jährlich fast 600’000 marine Zierfische. Diese Zahlen verstehen sich ohne Mortalität, die je nach Art sehr hoch sein kann, weshalb jährlich immer wieder so viele Korallenfische gefangen werden müssen.

Weil dieser hundertjährige und milliardenschwere Handel jedoch nie wirklich überwacht wurde und kaum eine Art geschützt ist, gibt es keine Kontrollen oder spezifische Untersuchungen über den Einfluss dieser Entnahmen für die Aquarienhaltung auf die Korallenriffe. Jeder Fisch kann ge- und verkauft werden.

Wie gravierend das Verschwinden einer einzelnen Art aus einem Korallenriff sein kann zeigt das Beispiel des sogenannten Putzerlippfisches, der als Gesundheitspolizist für andere Korallenfische gilt und ihnen ihre Parasiten entfernt: In einer Studie entfernte man alle Putzerlippfische, was zu einer Degradation eines Korallenriffs innerhalb kurzer Zeit führte (Waldie et al., 2011, Grutter et al., 2017).

Angesichts der momentanen Energiekrise überlegen sich viele Zoos und Aquarien, wie sie Strom sparen können. Die eben zu Ende gegangene Biodiversitätskonferenz in Montreal, Kanada, hat beschlossen, dass 30% der Land- und Meeresflächen der Welt unter Schutz zu stellen seien, denn wir haben bereits eine Million Tier- und Pflanzenarten verloren. Ein Aquarium steuert weder bei der Energie- noch bei der Biodiversitätskrise etwas Positives bei, sondern verschlimmert diese zusätzlich.

Dass Grossaquarien platzen können ist nicht neu: 2017 in Mazatlán, Mexico, 2012 in Shanghai, China und 2002 in Sydney, Australien. Man kann nur von Glück reden ist das «AquaDom» nachts geborsten, sonst wären neben den 1500 Fischen bestimmt auch Menschen ums Leben gekommen.

Hinsichtlich der hier dargelegten Argumente ist vom Bau eines weiteren Grossaquariums – dem «Coral World» in der Rummelsburger Bucht – dringend abzusehen!

Vielen Dank und mit freundlichen Grüssen

Dr. Monica V. Biondo

Leiterin Forschung und Naturschutz, Fondation Franz Weber, Schweiz

All diese Informationen stammen aus wissenschaftlichen (peer-reviewed) Publikationen, die Sie auch unter www.procoralfish.org finden.

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