Unser Team hat alle Hände voll zu tun in Argentinien, wo der Transfer unserer Schützlinge vom alten zum neuen Gnadenhof in Equidad endlich in vollem Gange ist. Angespornt von der Begeisterung und der Freude darüber, dass unsere Tiere ihre neue Freiheit geniessen, lassen sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den Schwierigkeiten nicht unterkriegen. Jeder Tag bringt sie dem Ziel einen Schritt näher.
Unser Leitmotiv
Für Manche sind Konflikte bei einem Umzug vorprogrammiert, für uns zum Glück nicht! Natürlich ist es keine leichte Aufgabe, den Transport unserer Schützlinge zu organisieren, doch unser Team ist so glücklich darüber, dass sich die Bemühungen auszahlen, dass es jedes Problem fröhlich und gut gelaunt in Angriff nimmt. Wir sind so kurz vor dem Ziel! Die Ankunft jedes neuen Tieres löst dieselbe Freude, dieselbe Befriedigung in uns aus und entschädigt uns mehr als reichlich für unsere alltägliche Mühen. Das ist es, was uns trägt und anspornt.
Wir wünschten, Sie könnten miterleben, wie diese Geschöpfe, die durch die Hölle gegangen sind, zum ersten Mal in ihrem Leben herausfinden, wie schön es ist, ausreichend Platz zu haben, um zu grasen und herumzutollen, und wie sie in dieser paradiesischen Umgebung, inmitten der Berge, ihre instinktiven Verhaltensweisen wiederentdecken. Hier ist jeder neue Reiz eine Bereicherung. Für Tiere, die ihr ganzes Leben in Unsicherheit und auf der Furcht vor dem Unbekannten verbracht haben, ist das unbezahlbar. Und für uns ebenfalls!
Optimierung der Ressourcen
Bisher halten sich 85 Pferde, 7 Esel und 8 Kühe auf dem neuen Grundstück auf. Da die Weiden von guter Qualität sind, müssen die meisten von ihnen von nun an nicht mehr mit Saat-Luzerne ernährt werden: Das im Überfluss vorhandene, hochwertige Gras genügt, um sie gesund zu erhalten. Nur noch die ältesten Tiere sind für ihre Ernährung auf uns angewiesen. Unsere Gefährten fühlen sich wohl und sind zufrieden, wenn sie grasen können, und uns ermöglicht ein stattliches Gelände, das der Grösse unseres Tierbestands angemessen ist, erhebliche Mengen an Futter einzusparen.
Grosser Endspurt
Während die bereits überführten Pferde, Esel und Kühe ihr neues Stück Paradies geniessen, bereiten wir diejenigen unserer Tiere, die sich noch auf dem alten Gnadenhof aufhalten, auf den Umzug vor. Dabei geht es in erster Linie darum, die vor allen Tiertransporten obligatorischen behördlichen Gesundheitsauflagen zu erfüllen. Das heisst, wir müssen alle unsere Schützlinge impfen und entwurmen sowie Bluttests durchführen, um sicherzustellen, dass sie gesund sind. Nach dieser Überprüfung werden die Bescheinigungen an die Behörden weitergeleitet, die sie auswerten und uns dann im Gegenzug die für den Transfer erforderlichen Genehmigungen aushändigen.
Verhaltensforschung
Sind diese Hürden erst einmal genommen, müssen wir unsere empfindlichen Schützlinge auf die lange Reise und den Umgebungswechsel vorbereiten. Natürlich ist diese Veränderung zu ihrem Besten, aber das wissen sie noch nicht. Um alles zu tun, was in unserer Macht steht, damit die Reise für sie so stressfrei wie möglich verläuft, haben wir David Castro, einen Experten für Pferdeverhalten hinzugezogen. Neben der Hilfe von Dr. Gretel Castillo, einer Tierärztin, die sich seit acht Jahren um die Gesundheit unserer Pferde kümmert, kommt den Tieren nun auch das Fachwissen eines ehemaligen Pferdetrainers zugute, der kein Geringerer ist als der Repräsentant der renommierten Nevzorow Haute École mit Sitz in Argentinien.
Die weltweit angesehene Nevzorow-Methode setzt auf Gewaltlosigkeit: Sie besteht darin, die Interaktion mit dem Pferd durch spielerische Techniken und Erziehungsmassnahmen zu erlernen, die dem Tier seine Bewegungsfreiheit lassen. «Ich studiere ihr Verhalten in Freiheit, um ihre physischen und psychischen Bedürfnisse zu verstehen und um eine Beziehung zu ihnen herzustellen, die nicht von Unterwerfung und Gewalt, sondern von Sympathie und Zuneigung geprägt ist, damit sie gerne und frei von Angst mit uns zusammenarbeiten», bringt es Castro auf den Punkt. Nach einem ersten Aufenthalt in Equidad, um den Pferden bei der Anpassung zu helfen, wird uns David Castro vor Jahresende noch einmal besuchen, um unser Team zu schulen und wissenschaftliches Material über Pferdeverhalten zu erstellen.
Investition
Nach diesen Massnahmen, die dadurch erleichtert wurden, dass wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in zwei Gruppen aufgeteilt haben – eine auf dem alten, die andere auf dem neuen Gnadenhof – waren wir jedoch noch immer nicht am Ende unserer Mühen angelangt. Es galt, noch einige logistische Probleme zu lösen: Wir mussten ein Transportunternehmen finden, das in der Lage wäre, die steilen Bergstrassen bis zum neuen Gnadenhof sicher zu überwinden, und den aus Erde und Steinen bestehenden, kurvenreichen Weg auszubessern, den wir zu nehmen
haben.
Als wir feststellten, dass kein einziges Transportunternehmen über die Fahrzeuge und Fahrer verfügt, die für unsere Zwecke geeignet sind, beschlossen wir, einen eigenen Anhänger zu kaufen. So können wir die Transporte flexibler planen und die Verladung mit den Tieren einüben. Ausserdem sind wir dank dieser Investition künftig nicht mehr auf andere angewiesen und können rasch reagieren, wenn einer unserer Schützlinge krank wird und schnellstmöglich in die nächste Pferdeklinik gebracht werden muss.
Anpassung an den Klimawandel
Kaum waren diese Fragen geklärt, standen wir auch schon vor neuen Problemen – in Form anhaltender starker Regenfälle, wie sie diese Gegend seit 20 Jahren nicht mehr erlebt hatte, gefolgt von einer arktischen Kältewelle, während der sogar Schnee fiel. Diese nie dagewesene Kälte liess die Hänge, die uns mit Wasser versorgen, gefrieren und führte dazu, dass die Rohre des Wassersystems des Gnadenhofs barsten. Und so blieb uns nichts anderes übrig, als das gesamte Rohrleitungssystem auszutauschen, um es für die Temperaturschwankungen zu rüsten, die im Zuge des fortschreitenden Klimawandels wohl weiter zunehmen werden.
Und als ob das alles noch nicht genug gewesen wäre, erleben wir aktuell eine äusserst trockene und windige Periode mit hoher Waldbrandgefahr. Daher sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezwungen, mit unserem Bobcat Wege durch den Busch zu bahnen, um der Feuerwehr gegebenenfalls die Zufahrt zu erleichtern.
Partnerschaften für Sicherheit
Sie sehen also: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren sehr fleissig. Unermüdlich arbeiten sie sieben Tage die Woche ohne einen einzigen freien Tag, damit sich der Traum für alle unsere vierbeinigen Gefährten erfüllt. Um es uns etwas leichter zu machen und nicht mehr Nacht für Nacht um unser Leben und das unserer auf dem alten Gnadenhof zurückgebliebenen Schützlinge fürchten zu müssen – was angesichts all dessen, was wir sonst noch zu tun haben, nicht zumutbar ist – haben wir beschlossen, das Sicherheitsmanagement für diesen Standort an ein privates Unternehmen zu delegieren. Dieses soll uns dabei unterstützen, die Sicherheit unserer Tiere zu gewährleisten und insbesondere verhindern, dass unsere äusserst begehrten Pferde gestohlen werden. Diese Massnahme hat sich als ein Segen erwiesen: Nach kaum drei Monaten ist es den Sicherheitskräften gelungen, einen Eindringling, der versuchte, unsere Pferde zu stehlen, zu fassen und den lokalen Behörden zu übergeben.
Solidarität mit Stiftung
Dank diesem gewaltigen Einsatz rückt der grosse Tag immer näher, an dem wir unserem alten Gnadenhof endlich Lebewohl sagen können, um den neuen zu beziehen. Doch wir haben auch Pläne für unseren alten Standort, dessen karitative Ausrichtung wir erhalten wollen! Daher haben wir beschlossen, eine Partnerschaft mit der Stiftung Sierra Dorada einzugehen, einer Organisation, die Grossartiges leistet, um Kindern zu helfen, die verwaist oder unterernährt sind, sowie Opfer von sexuellem Missbrauch wurden. Weil wir Sierra Dorada dabei unterstützen wollen, ihre Aufnahmemöglichkeiten für diese Kinder, die durch die Hölle gegangen sind, zu erweitern, haben wir uns entschieden, ihnen unser altes Grundstück zu schenken.
Da wir genau wissen, dass viele Menschen auch weiterhin ihre Hunde vor den Pforten unseres alten Gnadenhofs
aussetzen werden, haben die beiden Stiftungen ein gemeinsames Programm entwickelt. Es sieht vor, dass die Kinder von Sierra Dorada diese Hunde aufnehmen und beschützen. Selbstverständlich werden wir uns an den Kosten für Futter und tierärztliche Versorgung beteiligen und für jeden Hund eine Familie suchen, die ihn aufnimmt. Doch wir glauben, dass diese kleinen Geschöpfe, die alle so viel Leid und Ablehnung erfahren haben, sich gegenseitig Trost spenden können – seien es nun die Kinder selber oder ihre vierbeinigen Freunde.
Sowohl die Fondation Franz Weber als auch die Stiftung Sierra Dorada sind der Auffassung, dass Gewalt gegen Kinder und Gewalt gegen Tiere die gleichen sozialen Ursachen haben. Aus diesem Grund arbeiten wir seit vielen Jahren zusammen: Als Seelenverwandte, die sich für eine gute Sache einsetzen, kämpfen unsere beiden Stiftungen seit der Gründung von Equidad Seite an Seite, um den Schwächsten zu helfen – den Zweibeinern ebenso wie den Vierbeinern.
Samenkörner der Empathie
Unsere gemeinsamen Werte und unsere Arbeit haben es uns ermöglicht, unter der Schirmherrschaft der Coordinadora de Profesionales para la Prevención de Abusos (CoPPA) und der Katholischen Universität von Australien wissenschaftliche Studien über die Erziehung zur Empathie in die Wege zu leiten. Dieses Projekt ist von grundlegender Bedeutung, da es eine direkte Fortsetzung dessen ist, was wir über Equidad hinaus erreichen wollen: Durch diese Kinder, die Gewalt und Gleichgültigkeit am eigenen Leib erfahren haben, wollen wir künftige Generationen zur Empathie erziehen, damit solche Heime und Zufluchtsorte nicht mehr gebraucht werden.