12.04.2019
Adrià Voltes, Doktor der Biomedizin

Der Nautilus 

Die Überlebensstrategie des Nautilus (Nautilus belauensis) basiert auf dem Prinzip „Lebe langsam, sterbe alt“ ¹. Die prähistorisch anmutenden Tiere sind Aasfresser mit einem fein ausgeprägten Geruchssinn. Tatsächlich können sie sehr verdünnte Geruchsquellen in einer Entfernung von mindestens 10 Metern verfolgen und lernen, Gerüche mit visuellen Reizen in Verbindung zu bringen ² ³. Die Arten halten sich bevorzugt in 150 Meter Tiefe im Freiwasser auf, an den Abhängen von Korallenriffen. Sie können kaum gezüchtet werden. 

Und trotzdem sollen Nautilusse gemäss der vor kurzem aufgetauchten Artenliste des Zoo Basel im geplanten „Ozeanium“ ausgestellt werden. Dies, obwohl die Tiere aufgrund des internationalen Handels hochbedroht sind und sich darum seit 2017 auf CITES Anhang II befinden. Verblüffende wissenschaftliche Erkenntnisse zeichnen zudem das Bild eines Tieres, das komplexe Lern- und Gedächtnisleistungen vollbringen kann, und dem der begrenzte Raum eines Aquariums nicht gerecht werden kann.

Im Gegensatz zu seinen Verwandten – wie Oktopussen, Kalmaren und Tintenfischen – fehlen dem Nautilus die neuronalen Strukturen, die für das Gedächtnis und das Lernen notwendig sind. Und trotzdem haben Tiere der Gattung Nautilus in wissenschaftlichen Untersuchungen viel komplexere Lern- und Gedächtnisleistungen gezeigt, als es ihr relativ einfaches Gehirn in der Vergangenheit annehmen liess ¹. Die gesammelten Beobachtungen deuten darauf hin, dass diese Wirbellosen zu komplexen Verhaltensweisen fähig sind, die in gewissen Fällen sogar mit denen von Coleoiden (Oktopussen, Kalmaren und Tintenfischen) vergleichbar sind. So ist der Nautilus beispielsweise in der Lage, gleichzeitig verschiedene Lösungen für eine komplexe Aufgabe zu lernen und sich zu erinnern ³ ⁴.

Die hohe Bedeutung des Geruchssystems für Aasfresser liess lange vermuten, dass der Nautilus ein unterentwickeltes Sehsystem haben könnte. Es hat sich jedoch gezeigt, dass das Tier visuelle Reize nutzt, um sich im Raum zu orientieren und um über die Zeit eine Reihe von visuellen Bezugspunkten zu lernen und sich zu erinnern ⁴. Wir können deshalb annehmen,dass das Sehen eine wichtigere Rolle spielen muss als früher gedacht wurde. Tatsächlich kann der Nautilus sogar erlernte visuelle Informationen mit Erinnerungen kombinieren, die mit Bewegungen im Raum zusammenhängen, um Orte zu finden. Darüber hinaus deuten diese Studien darauf hin, dass das Langzeitgedächtnis der Nautilus bis zu drei Wochen hält und mit dem Gedächtnis der Tintenfische konkurriert ⁴.

Eine weitere Studie zeigt, dass der Nautilus die dreidimensionalen Konturen eines künstlichen Korallenriffs lernt und sich daran erinnert, indem er eine Kombination aus visuellen und taktilen Eigenschaften verwendet ⁴.

Zusammengefasst wissen wir heute, dass der 1.) Nautilus lernt und sich erinnert, sowohl kurz- als auch langfristig ³, 2.) der Nautilus in der Lage ist, sowohl mit horizontalen als auch mit vertikalen räumlichen Problemen umzugehen ⁴ und 3.) der Nautilus dynamisch eine Vielzahl von visuellen und taktilen Umweltsignalen nutzen kann, um bestimmte Orte zu finden ⁴. Weitaus mehr, als man diesen stummen, prähistorisch anmutenden Tieren zutraut.

 

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Quellenangaben:

1.        Basil, J. et al.A synthetic approach to the study of learning and memory in chambered Nautilus, L. (Cephalopoda, Nautiloidea). Vie Milieu 61, 231–242 (2011).

2.        Basil, J. A., Hanlon, R. T., Sheikh, S. I. & Atema, J. Three-dimensional odor tracking by Nautilus pompilius. J. Exp. Biol. 203, 1409–14 (2000).

3.        Crook, R. & Basil, J. A biphasic memory curve in the chambered nautilus, Nautilus pompilius L. (Cephalopoda: Nautiloidea). J. Exp. Biol. 211, 1992–1998 (2008).

4.        Crook, R. J., Hanlon, R. T. & Basil, J. A. Memory of Visual and Topographical Features Suggests Spatial Learning in Nautilus (Nautilus pompilius L.). J. Comp. Psychol. 123, 264–274 (2009).

5.        Dunstan, A. J., Ward, P. D. & Marshall, N. J. Vertical distribution and migration patterns of Nautilus pompilius. PLoS One 6, 1–10 (2011).

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