03.04.2023
Dr. Monica V. Biondo

Die Tragödie zeigt: Weitere Grossaquarium- Projekte müssen verhindert werden!

Mitte Dezember 2022 platzte das zylinderförmige «AquaDom» im Berliner Hotel Radisson Blu. Die Fondation Franz Weber verfasste im Anschluss einen offenen Brief, um auf das Vorhaben von Coral World in der Rummelsburger Bucht in Lichtberg hinzuweisen. Dort ist ein Hotelkomplex mit Grossaquarium geplant – es besteht die Gefahr, dass sich das Drama wiederholen könnte.

Es ist noch nicht lange her, dass im Radisson Blu in Berlin das «AquaDom» platzte, womit rund 1’500 Zierfische verendeten. Kurz nach der Tragödie wurde bekannt, dass die israelische Firma Coral World in der Rummelsburger Bucht ebenfalls ein riesiges zylinderförmiges Aquarium plant. Daraufhin hat der Baustadtrat von Lichtenberg den für den Januar 2023 geplanten Baustart vorerst gestoppt. Der Grund sind verständlicherweise Sicherheitsbedenken. Das bedeutet aber nicht, dass das Projekt vom Tisch ist!

Dass Grossaquarien platzen können, ist nicht neu: 2017 passierte ein ähnlicher Unfall in Mazatlán, Mexiko, 2012 in Shanghai, China, und 2002 in Sydney, Australien. Man kann nur von Glück reden, ist das «AquaDom» nachts geborsten. Sonst wären neben den 1’500 Fischen bestimmt auch Menschen ums Leben gekommen.

Fakten zu Zierfischen und dem Handel

Besuchen Sie die neue Webseite www.procoralfish.org für mehr Informationen rund um den Handel mit marinen Zierfischen. Sie finden hier alle im Artikel dargelegten Fakten, welche aus wissenschaftlichen (peer-reviewed) Publikationen stammen.

Die Fondation Franz Weber wies im offenen Brief dringend vom Bau eines weiteren Grossaquariums ab. Oder soll in der Rummelsburger Bucht wirklich nochmals eine solche Zeitbombe entstehen? Wie können angesichts der Klimakrise und der damit allbekannten Bedrohung der Korallenriffe solche Grossaquariumsprojekte weiterhin bewilligt werden? Wie viele Fische müssen noch qualvoll sterben, bis die Menschheit versteht, dass diese Praktiken nichts mit Artenschutz zu tun haben?

Dem Korallenriff entnommen
Praktisch alle Meeresfische, die in einem Aquarium schwimmen, sind Wildfänge, das heisst, sie wurden einem Korallenriff entnommen. Beim Fang, während des Transports oder später im Aquarium sterben viele Fische. Als promovierte Zoologin, die ihre Doktorarbeit zum Handel mit marinen Zierfischen (Korallenfische) geschrieben hat, weiss ich, dass Schauaquarien kaum einen Nutzen für die Erhaltung der Arten haben. Von den rund 2’500 marinen Zierfischarten, die sich im Handel befinden und in Gross- wie Privataquarien gehalten werden, pflanzen sich nur rund zwei Dutzend in Gefangenschaft in kommerzieller Zahl fort. Die meisten davon sind Anemonenfische («Nemos») und Seepferdchen. Heute wissen wir alle, dass Korallenriffe durch die Klimaerwärmung sehr stark bedroht sind. Ein Drittel der
Korallenriffe ist schon unwiderruflich zerstört, und bis zum Ende des Jahrhunderts werden wir bei einer Erderwärmung um zwei Grad Celsius (die Schweiz hat dies bereits erreicht) gemäss dem IPCC (Klimarat) über 99 Prozent verlieren. Insofern sind am Ende alle Korallenfische vom Aussterben bedroht.

Jährlich werden zwischen 15 bis 30 Millionen, einige Studien sagen sogar 150 Millionen, marine Zierfische weltweit gehandelt. Deutschland allein importiert jährlich fast 600’000 marine Zierfische. Diese Zahlen verstehen sich ohne Mortalität. Die kann je nach Art sehr hoch sein, weshalb jährlich immer wieder so viele Korallenfische gefangen werden müssen.

Weil dieser hundertjährige und milliardenschwere Handel jedoch nie wirklich überwacht wurde und kaum eine Art geschützt ist, gibt es keine Kontrollen oder spezifische Untersuchungen über den Einfluss dieser Entnahmen für die Aquarienhaltung auf die Korallenriffe. Jeder Fisch kann ge- und verkauft werden.

Wie gravierend das Verschwinden einer einzelnen Art aus einem Korallenriff sein kann, zeigt das Beispiel des sogenannten Putzerlippfisches (Labroides dimidatus), der als Gesundheitspolizist für andere Korallenfische gilt und ihnen ihre Parasiten entfernt. In einer Studie entfernte man alle Putzerlippfische, was zu einer Degradation eines Korallenriffs innerhalb kurzer Zeit führte (Waldie et al., 2011 sowie Grutter et al., 2017).

Nicht nur Zierfische verschwinden für immer von der Weltoberfläche, insgesamt sind eine Million Tier- und Pflanzenarten vom gleichen Schicksal betroffen. An der Biodiversitätskonferenz, die im Dezember in Montreal, Kanada, stattfand, wurde beschlossen, dass 30 Prozent der Land- und Meeresflächen der Welt unter Schutz zu stellen seien. Auch dieser Beschluss spricht gegen neue Grossaquarien, genauso wie die Energiekrise, die Zoos und Aquarien fordert, Massnahmen zum Stromsparen ins Auge zu fassen. Am Ende ist es offensichtlich, dass Aquarien weder bei der Energie- noch bei der Biodiversitätskrise etwas Positives beisteuern, sondern diese sogar zusätzlich verschlimmern.

«Meere schützen, wo sie sind»

Die FFW befasst sich seit 2013 mit dem Handel mit Korallenfischen. Kurz nachdem der Zoo Basel die Pläne für das Ozeanium präsentiert hatte, organisierten Vera Weber und die Meeresbiologin Dr. Monica Biondo den Widerstand gegen das veraltete und für Meer und Tier schädliche Projekt. Hier hätten gefährdete und sensible Arten gezeigt werden sollen. Heute weiss man, dass Grossaquarien weder zum Artenerhalt noch zur Sensibilisierung beitragen. Mit stichhaltigen Argumenten und wissenschaftlicher Arbeit gelang es der FFW, immer mehr Menschen und Organisationen für den Widerstand zu gewinnen. Als der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt trotz der Vorbehalte der FFW die Heuwaage für das Projekt zur Verfügung stellte, kam es zum Referendum und zur Unterschriftensammlung. Nach einer hitzigen Abstimmungskampagne lehnte das Basler Stimmvolk das Ozeanium-Projekt vom Zoo Basel am 19. Mai 2019 eindeutig ab. Dieser Entscheid hat weltweit eine Signalwirkung, damit die Meere dort geschützt werden, wo sie sind. Weitere Infos: www.nozeanium.org

Mehr Informationen:

  • Dieser Artikel wurde erstmals im Journal Franz Weber 143 publiziert. Die PDF-Version aller bisheriger Journale finden Sie hier.
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