26.10.2022
Matthias Mast

Alte Bäume retten uns – wenn wir die alten Bäume retten

Allzu oft werden alte und von Förstern und Baumpflegern als «sterbenskrank» bezeichnete Bäume aus «Sicherheitsgründen» gefällt. Das darf nicht mehr sein!

Die Fondation Franz Weber (FFW), welche seit Jahrzehnten immer wieder alte Bäume schützt und vor der Fällung rettet, lanciert deshalb ein Baum- und Waldschutzprogramm und ruft alle dazu auf, sich der «Lobby» für die alten Bäume anzuschliessen. Das Interesse ist gross, wie die Baumbegehung in Aarau zeigte.

Trotz der Gluthitze machten sich am 20. Juli gut zwei Dutzend Interessierte auf nach Aarau, um sich bei den Gönhardgütern in das Wesen und das Geheimnis der alte Bäume «einweihen» zu lassen. Eingeladen hatte die Fondation Franz Weber, welche mit solchen Begehungen die Sensibilisierung der Baum- und Wald-Freundinnen und -Freunde sowie deren Aktivitäten zum Schutz der Bäume und Wälder mit der entsprechenden Vermittlung von (Fach-)Wissen unterstützen will. Das Ziel der Fondation Franz Weber ist es, möglichst viele Menschen hierzulande für eine Bewegung und eine Lobby zum Schutz von alten Bäumen und Naturwäldern zu gewinnen.

Beeindruckende Baum-Kompetenz
Empfangen wurden die «bäumigen» Menschen von Max Jaggi, dem seit Kurzem pensionierten Leiter von Stadtgrün Aarau, der über seine Erfahrungen und Herausforderungen betreffend alter Bäume und (Ver-) Waldungen, namentlich anhand der imposanten Baumriesen in den Gönhardgütern, berichtete (siehe Kasten). Die FFW-Waldexpertin, Biologin Diana Soldo, welche inmitten eines Waldes auch ihr Zuhause hat, berichtete über das Leben der Bäume im Wald und erklärte den immens wichtigen Stellenwert der Wälder für die Biodiversität und das Klima. Der FFW-Baumexperte Fabian Dietrich hielt bei einigen Bäumen in den Gönhardgütern jeweils eine beeindruckende «Baum-Ansprache», ein Ausdruck, welcher seine Baumbeurteilungen treffend beschreibt.

Ein verletzter alter Baum muss nicht gefällt werden
Zu Beginn des Rundgangs wurde eine Libanonzeder (Cedrus libani) näher angeschaut. Sie litt vor einigen Jahren unter starkem Borkenkäferbefall, der aber erfolgreich bekämpft werden konnte. Beeindruckt haben die «Baumgäste» auch der riesige Riesen-Lebensbaum, eine Thuja plicata, welcher vor ein paar Jahren einen massiven Sturmschaden erlitten hatte. Das Glück des Baumes nach dem Sturm waren Menschen wie eben Max Jaggi und dessen Vorgesetzter sowie Fabian Dietrich, welche überzeugt davon waren, dass dieser imposante Baumriese nicht gefällt werden muss, sondern dass die Schäden behoben werden können. Und wahrlich: Dank der Sensibilität und dem Mut, sich gegen die Fällung zu entscheiden, «thront» der Lebensbaum voraussichtlich (sein Schicksal liegt in Menschenhänden) noch weitere Hunderte von Jahren hoch oben auf den Gönhardgütern.

Auch ein kranker Baum ist ein starker Baum
Weiter ging die hochsommerliche und hochinteressante Begehung zu einem stattlichen Tulpenbaum (Liriodendron tulipifera), daraufhin zu einer Rotbuche (Fagus sylvatica) und endete nach knapp drei Stunden, die einem wie höchstens einer vorkamen, bei einer mächtigen Blutbuche (Fagus sylvatica atropunicea). Diese Blutbuche hätte eigentlich im Jahre 2013 gefällt werden sollen, weil sie vom Brandkrustenpilz befallen ist. Max Jaggi und der von ihm wiederum um eine hilfreiche Beurteilung angefragte Baumexperte Fabian Dietrich entschieden sich jedoch, den Baum zu erhalten. Dank eines starken Kronenbegrenzungsschnittes und einer Kronensicherung kann der Baum nun seine Widerstandskräfte gegen die Krankheit bündeln und die durch die Krankheit verursachten Schäden ausgleichen.

Baumalter ist nicht vergleichbar mit Menschenalter
«Das unterscheidet eben die Bäume von den Menschen, welche fälschlicherweise immer das Leben eines Baumes mit jenem der Menschen vergleichen», erklärte Fabian Dietrich folgende Tatsache: «Ein Baum überwindet nicht die Krankheit oder eine Verletzung, sondern er isoliert sie und fördert eigene Gegenkräfte.» Fabian Dietrich wies auch darauf hin, dass ein Baum nicht gefällt werden muss, weil er hohl ist: «In vielen Fällen können Bäume erhalten werden, wenn entsprechende Baumpflegearbeiten ausgeführt werden.» Zudem: «Menschen definieren die Lebenserwartung eines alten kranken oder verletzten Baumes nach der Lebenserwartung eines alten kranken Menschen. Das ist völlig falsch, denn ein kranker oder verletzter Baum kann noch Jahrzehnte oder Hunderte von Jahren leben», betonte Fabian Dietrich.

Unterstützung gegen die Fällungs-Wut
Gerade Fabian Dietrichs letzte Feststellung sollte Menschen dazu animieren, bei angesagten Fällungen zu intervenieren, denn es wird von den Förstern und Baumpflegern immer gleich argumentiert, um eine Baum-Fällung zu rechtfertigen: Der Baum ist krank und demnach nicht mehr sicher – deshalb muss er weg. Dass dem mitnichten nicht so ist, beweist der FFW-Baum-Experte Fabian Dietrich mit der täglichen Arbeit seiner Firma, der die Bäume mit wenigen gezielten Massnahmen sicher macht und damit für ein jahrzehntelanges oder noch längeres Überleben sorgt. Deshalb will die Fondation Franz Weber mit dieser und weiteren Begehungen die Sensibilisierung für die alten Bäume sowohl in Siedlungsgebieten als auch in Wäldern fördern, denn wie sagte doch die Biologin Diana Soldo an der Begehung: «100 junge Bäume reichen nicht, um einen alten Baum zu ersetzen!»

Baum-Freundinnen und -Freunde: Vereinigt euch!
Zudem will die FFW interessierte Menschen mit und ohne Grundwissen über die Eigenheit des alten Baumes in deren Engagement gegen vorschnelle und vorsätzliche Fällungen unterstützen. Dazu gehören Begehungen wie jene im vergangenen Juni in Aarau. «Alle, die heute dabei waren, werden in Zukunft in ihrer Umgebung und in ihren Gemeinden sehr kritisch hinschauen, wenn es darum geht, Bäume zu fällen», ist Fabian Dietrich überzeugt.

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