26.09.2023
Dr. Anna Zangger

Sieg für die «Grands-Prés»: Der Wind dreht sich

Am 18. Juni 2023 nahmen die Bürgerinnen und Bürger von Montreux die kommunale Volksinitiative «Sauver les Grands-Prés» mit einer überwältigenden Mehrheit von 71,05 Prozent der Stimmen an. Damit wird eine Revolution eingeleitet, die mit der Politik der Vergangenheit bricht.

Am 18. Juni 2023 nahmen die Bürgerinnen und Bürger von Montreux die kommunale Volksinitiative «Sauver les Grands-Prés» («Rettet die Grands-Prés») mit einer überwältigenden Mehrheit von 71,05 Prozent der Stimmen an. Dank dieses historischen Siegs darf das Grundstück nicht bebaut werden. Statt einem Mega-Projekt für ein neues Stadtviertel zum Opfer zu fallen, dienen die «Grands-Prés» von nun an der Artenvielfalt, der Natur und der Entspannung der Bevölkerung. Diese hat sich für eine Oase des Friedens ausgesprochen anstelle einer Insel der Hitze und des Betons: Wir erleben hier eine echte Revolution, einen Bruch mit der Politik der Vergangenheit. Der Wind dreht sich – in Montreux wie auch an anderen Orten!

Gemeindeprojekt: Zubetonieren um jeden Preis
Im Nordwesten von Montreux, zwischen Clarens und Chailly, befindet sich eine 2,5 Hektar grosse Wiese, die bislang vom rasanten und zerstörerischen Siedlungswachstum in der Region verschont geblieben war. Unter dem Vorwand, ein «Ökoviertel» und eine Kindertagesstätte zu schaffen, wollte die Gemeinde von Montreux im Namen der Verdichtung und des sozialen Angebots auf dem «Grands-Prés» genannten Grundstück 232 Wohnungen und 245 Parkplätze bauen lassen. Trotz des «Greenwashings» der Bauträger und der Gemeinde liessen die vor Ort installierten Modelle keinen Zweifel zu: Die Grünfläche wäre komplett zubetoniert, maximal verdichtet und unwiderruflich zerstört worden.

Die Fondation Franz Weber (FFW) hatte mit Hilfe ihrer Schwesterorganisation Helvetia Nostra (HN) bereits vor Gericht Einspruch gegen das Projekt erhoben. Der Ausgang des Verfahrens war jedoch ungewiss, zumal das Kantonsgericht in Sachen Naturschutz wenig Ehrgeiz an den Tag legt und bekanntlich Bebauung und das Recht auf Privateigentum unterstützt.

Kommunale Volksinitiative «Sauver les Grands-Prés»
Anfang 2022 wurde die FFW von der Vereinigung zur Rettung der Grands-Prés (ASGP) kontaktiert, eine lokale Organisation, die mit dem Ziel gegründet worden war, das Bauprojekt zu bekämpfen. Sie wollte eine kommunale Volksinitiative lancieren, um ein Bauverbot für das Grundstück durchzusetzen und es endgültig der Natur zu widmen. Ohne zu zögern, unterstützte die FFW sie, verfasste insbesondere den Text der Initiative und stellte der Vereinigung die Kenntnisse ihrer Anwälte zur Verfügung. Zum Glück, denn die Gültigkeit der Initiative wurde sowohl von der Gemeinde als auch von den Bauträgern infrage gestellt, letztendlich jedoch vergeblich.

Die Bevölkerung unterstützte die Initiative bereits zum Zeitpunkt der Unterschriftensammlung auf breiter Basis. So kam die Initiative im Dezember 2023 mit 3’364 von 2’529 erforderlichen Unterschriften zustande. Der Gemeinderat hätte daraufhin im Frühling 2023 die Möglichkeit gehabt, die Initiative zu unterstützen und eine Volksabstimmung zu vermeiden. Er nutzte diese Chance jedoch nicht und entschied sich stattdessen dafür, den Bürgerinnen und Bürgern von Montreux das letzte Wort zu geben.

71,05% der Stimmen – ein gewaltiger Sieg und ein starkes Signal!
Am 18. Juni 2023 nahmen die Einwohnerinnen und Einwohner von Montreux die kommunale Volksinitiative «Sauver les Grands-Prés» mit 71,05 Prozent der Stimmen an. Die Bevölkerung wagte, was die Gemeinde nicht wollte: Sie brach mit der langjährigen Tradition, Montreux zuzubetonieren. Mutig entschied sie sich dafür, die Lebensqualität und die Artenvielfalt zu fördern.

Die Bevölkerung sandte ausserdem ein unmissverständliches und sehr starkes Signal an die kommunalen und kantonalen Behörden: Um die Überhitzung der Städte im Sommer zu verhindern, muss unverzüglich gehandelt werden, insbesondere durch die Förderung der Begrünung der Stadtviertel. Denn Bäume und Grünflächen in der Stadt können den entscheidenden Unterschied ausmachen – zwischen gefährlich erhöhten Temperaturen und willkommener Kühle, zwischen drückender Sonne und einem Blätterdach, das selbst im heissesten Sommer Schatten und Feuchtigkeit spendet.

Ein klarer Auftrag an die Gemeinde
Nun ist es an der Gemeinde von Montreux, die Initiative umzusetzen. Sie muss das Grundstück in eine Grünfläche umwandeln und ein Projekt ausarbeiten, um die Artenvielfalt und das Wohlbefinden der Bevölkerung zu fördern. In diesem Sinne hatte die FFW während der Kampagne mit Hilfe eines Landschaftsarchitekten ein Konzept für einen öffentlich zugänglichen Naturpark ausgearbeitet, das sie der Gemeinde nun zur Verfügung stellen will.

Vor allem muss die Stadtverwaltung das Bauprojekt ein für alle Mal aufgeben und zunächst das Kantonsgericht, bei dem das Verfahren zur Anfechtung der Baugenehmigung noch anhängig ist, offiziell darüber informieren. Nur so kann der Volkswille respektiert werden.

Der Wind dreht sich in Montreux ebenso wie an anderen Orten
Der Sieg für die «Grands-Prés» ist bei Weitem nicht das einzige Zeichen eines Paradigmenwechsels in der Region. Wie Helvetia Nostra soeben erfahren hat, hat das Tribunal administratif de première instance in Genf (TAPI) ihr in der Angelegenheit des Parks von Evaux Recht gegeben. Der Kanton wollte dieses Natur- und Freizeitgebiet für die professionelle Fussballakademie teilweise privatisieren – ein Projekt, für das Dutzende Bäume hätten gefällt werden müssen. Das TAPI lehnte das Projekt vor allem wegen eines mangelhaften Mobilitätskonzepts ab. Damit ist der Park gerettet!

Auch in Crissier und Jongny lehnte die Bevölkerung zwei Mega-Bauprojekte ab, um Grünflächen zu erhalten. Darüber hinaus wehren sich immer mehr Privatpersonen gegen Anträge auf Baumfällungen, selbst wenn letztere im Zusammenhang mit Bauvorhaben zur sogenannten «Verdichtung» stehen. Die FFW und HN setzen sich mehr denn je für den Schutz dieser «Stadtbäume» ein, die im Rahmen der Raumplanung und des Naturschutzes regelmässig vergessen werden.

Der Volksauftrag an die Behörden ist nun klar: Bauen – nicht überall und nicht um jeden Preis!

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