12.01.2023
Fondation Franz Weber

Der Zoo von Basel zeigt, dass er nichts von der Biologie der Elefanten versteht

Anfang Dezember 2022 gab der Zoo Basel bekannt, dass «Heri», eine 46 Jahre alte afrikanische Elefantenkuh, trächtig sei. Der Zoo ist überglücklich, «zum ersten Mal in dreissig Jahren» ein Elefantenbaby willkommen zu heissen. Die Aussagen des Kurators Adrian Baumeyer, eines Biologen, der sich um die Elefanten im Zoo Basel kümmert, sind nichtsdestotrotz alarmierend. Denn laut Tomas Sciolla und Dr. Keith Lindsay, Experten der Fondation Franz Weber (FFW), zeugen sie von einer völligen Unkenntnis der Biologie und der Bedürfnisse von Elefanten in freier Wildbahn oder in Gefangenschaft.

Heri ist eine Steppenelefantin, die um 1976 im Kruger-Nationalpark in Südafrika geboren wurde. Seit spätestens 1979 lebt sie in Zoos – zuerst in Hannover und seit 1988 in Basel. Sie hat praktisch nichts anderes kennengelernt als Gefangenschaft, Kälte, Langeweile und Einsamkeit. Anfang Dezember vergangenen Jahres liess der Zoo Basel durch den Biologen und Kurator Adrian Baumeyer bekanntgeben, dass Heri nun trächtig sei, nachdem sie mit dem Bullen Tusker zusammengekommen war. Dieser war vom Basler Zoo, der sich in naher Zukunft eine Elefantengeburt wünschte, im Rahmen des europäischen Zuchtprogramms für Tiere in Gefangenschaft (EPP der EAZA) speziell dafür ausgesucht worden.

In einem unter anderem auf RTS veröffentlichten Interview berichtet Baumeyer von der Freude des Zoos über diese Nachricht und die Aussicht, «zum ersten Mal in dreissig Jahren» ein Elefantenbaby willkommen zu heissen. Die Aussagen des Biologen des Basler Zoos sind jedoch höchst besorgniserregend und zeugen von einer nahezu vollständigen Unkenntnis der Biologie und der Bedürfnisse von Elefanten.

Wie der Vertreter des Zoos insbesondere erklärt, seien «die Voraussetzungen dafür erfüllt, (dass Heri) die Jungen erfolgreich aufziehen kann», da es ihr nicht an Ressourcen, das heisst an Wasser und Nahrung, mangele (was impliziert, dass dies in freier Wildbahn nicht der Fall wäre). Diese Behauptung steht in krassem Widerspruch zu der Tatsache, dass im Zoo Basel, trotz Anwesenheit diverser Zuchtbullen, seit fast 30 Jahren kein einziger Elefant mehr geboren wurde. Verantwortlich für das Scheitern entsprechender Versuche sind aller Wahrscheinlichkeit nach die miserable Beschaffenheit der Gehege, fehlende Stimulation, die Kälte, unter der afrikanische Elefanten in unseren Breitengraden unweigerlich zu leiden haben, sowie schlechtes Management. So brachte der Zoo Heri zu einem Zeitpunkt mit einem Bullen zusammen, der eine mögliche Geburt zu Beginn der kältesten Periode in der Schweiz (Ende 2023 bis Anfang 2024) zur Folge hat. Um die besten Voraussetzungen für das Elefantenbaby zu schaffen, hätte die Geburt jedoch so geplant werden müssen, dass sie zu Beginn der wärmsten Periode (im Frühjahr) stattfinden kann.

Mehr noch offenbart die Annahme, es würde genügen, Elefanten mit Futter und Wasser zu versorgen, damit sie sich fortpflanzen und ihren Nachwuchs aufziehen können, eine grundlegende Unkenntnis der Art, sowohl in Gefangenschaft als auch in freier Wildbahn. Elefanten sind äusserst soziale Tiere, die sich durch eine Fülle komplexer sozialer Interaktionen und Bindungen auszeichnen sowie insbesondere durch die Fähigkeit – und das Bedürfnis -, von älteren Angehörigen zu lernen. Daher verlaufen Trächtigkeit und Geburt eines Elefantenbabys in der Regel nur unter ganz bestimmten Umständen reibungslos. Dr. Keith Lindsay, Experte für Elefantenbiologie, erläutert: «Elefantenkühe lernen hauptsächlich von ihren älteren Artgenossinnen und durch die Betreuung anderer Elefantenkälber der Herde. Das setzt voraus, dass sie mit älteren Weibchen zusammenleben und Schwangerschaften in der Herde erleben.» Die Herde, der Heri im Zoo Basel angehört, besteht jedoch nur aus zwei weiteren Elefantenkühen – obwohl der Europäische Verband der Zoos und Aquarien (EAZA) Zoos empfiehlt, Herden mit wenigstens vier Weibchen über zwei Jahren zu halten, während der Amerikanische Verband der Zoos und Aquarien (AZA) sogar zu Herden mit sechs bis zwölf Elefanten rät. Zudem hat sich keine der drei Elefantenkühe des Basler Zoos erfolgreich fortgepflanzt. Kurz, Heri besitzt mit 46 Jahren keinerlei Erfahrung als Mutter, und kein Mitglied ihrer «Herde» kann sie unterstützen. «Das Risiko, dass das Elefantenbaby stirbt, ist daher extrem hoch», erklärt Dr. Keith Lindsay.

Anders als der Biologe des Zoos behauptet, bedeutet die Geburt eines Elefantenbabys nicht unbedingt eine «grosse Freude» für die – durch die Gefangenschaft ohnehin schon massiv gestresste – Herde. Wie Dr. Keith Lindsay darlegt, «hat ein solches Ereignis seit dreissig Jahren nicht stattgefunden und hat möglicherweise unerwartete negative Folgen für das Elefantenkalb ebenso wie für die erwachsenen Tiere (einschliesslich der werdenden Mutter), die keinerlei einschlägige Erfahrung besitzen».

Die Frage ist also: Wie kann der Basler Zoo behaupten, er könne seinen Elefanten unter diesen Umständen und ohne echte Kenntnisse ihrer Biologie und ihrer Bedürfnisse angemessene Bedingungen bieten? «Der Zoo Basel existiert seit 1874 und damit seit fast 150 Jahren – und in all dieser Zeit wurden nur zwei lebensfähige Elefanten geboren», erklärt Tomas Sciolla, Experte der FFW für die Erhaltung der Artenvielfalt und die Umgestaltung von Zoos. «Die Situation in diesem Zoo ist kein Einzelfall; die europäische Population von afrikanischen Elefanten in Gefangenschaft ist nicht lebensfähig». Daher lehnt die Fachgruppe für den Afrikanischen Elefanten der IUCN, der rund 95 Expertinnen und Experten angehören, den Fang von afrikanischen Elefanten für die Haltung in Gefangenschaft ab – und sieht in der Gefangenschaft von Elefanten keinen Nutzen für die Erhaltung der Art in ihrem natürlichen Lebensraum.

Zum Glück wächst allmählich das Bewusstsein für die Gefahren, denen die Art in freier Wildbahn ausgesetzt ist, zu denen der Fang für Zoos sowie die verheerenden Auswirkungen der Gefangenschaft auf die grossen Dickhäuter noch hinzukommen. Auf der letzten Tagung der Vertragsstaaten des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES CoP19) beschlossen die Mitgliedsländer ein Moratorium für alle Exporte lebender Elefanten aus Afrika. «Wir hoffen, dass dieses vorläufige Verbot auf der nächsten Vertragsstaatenkonferenz in ein endgültiges Verbot mündet. Schon viel zu lange fangen wir afrikanische Elefanten, damit sie in Europa und auf anderen Kontinenten unserer Unterhaltung dienen: Belassen wir sie in ihren Familienverbänden, in ihrer natürlichen Umgebung», betont Vera Weber, Präsidentin der FFW.

Für Heri macht das keinen Unterschied: Sie hat ihr ganzes Leben (fast 43 von ihren 46 Lebensjahren) in Gefangenschaft verbracht, in schäbigen europäischen Zoos, in einer viel zu kleinen Herde, die nicht ihre Familie ist, und sie musste bereits ein totes Baby gebären.

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