Jede Minute werden weltweit unzählige Tiere und Pflanzen aus der Natur entnommen für Lebensmittel, Medizin, Schmuck oder exotische Haustiere. Der Handel mit Wildtieren bedroht weltweit die Artenvielfalt, sowohl durch illegale als auch durch unzureichend kontrollierte legale Geschäfte. Europa ist einer der grössten Märkte und könnte mit bestehenden Überwachungssystemen den Handel deutlich besser kontrollieren. Jetzt ist es Zeit, entschlossen zu handeln und die Biodiversität zu schützen.
Wildtierhandel bedroht Artenvielfalt
Der Verlust der biologischen Vielfalt wird vor allem durch Übernutzung und Veränderungen der Landnutzung verursacht. Der Handel mit Wildtieren ist zwar nicht der grösste, aber ein wichtiger Treiber des Artenverlustes und wirkt in Kombination mit anderen Faktoren besonders zerstörerisch. Jedes Jahr werden Milliarden Tiere und Pflanzen aus ihren Lebensräumen entnommen, oft für Lebensmittel, Medizin, Schmuck oder exotische Haustiere. Bereits eine Million Arten stehen am Rande des Aussterbens, und der Handel – legal oder illegal – trägt erheblich dazu bei.
Besonders zerstörerisch ist der illegale Handel, der gezielt bedrohte Arten ins Visier nimmt und Schutzmassnahmen umgeht. Elefanten, Nashörner und viele andere Arten leiden unter der unstillbaren Nachfrage nach Elfenbein, Hörnern und exotischen Gütern. Doch auch der legale Wildtierhandel birgt Gefahren, wenn er nicht überwacht wird. Ein Teufelskreis entsteht: Ohne Daten lässt sich nicht beweisen, dass eine Art durch Handel bedroht ist, und ohne Überwachung bleibt unklar, wie gross das Problem wirklich ist. Dieser Handel hat weitreichende Folgen, von der Verbreitung invasiver Arten bis hin zu Krankheiten von Tieren, die auf den Menschen übertragbar sind (Zoonosen) wie COVID-19 oder Ebola, die dramatische Auswirkungen auf Menschen und Ökosysteme haben.
Der globale Handel mit Wildtieren ist ein wirtschaftlicher Zweig im Wert von jährlich 145 bis 220 Milliarden US-Dollar, wobei Meerestiere, Möbel und Mode dominieren. Er umfasst nicht nur lebende Tiere wie Zierfische, sondern auch Pflanzen, etwa Heilpflanzen, die oft als Teil der Wildtier-Diskussion betrachtet werden, um ihre Bedeutung für die Biodiversität und den Schutzbedarf hervorzuheben.
Europa trägt Verantwortung
Die Europäische Union inklusive der Schweiz spielt eine Schlüsselrolle. Sie ist einer der grössten Märkte für Wildtiere mit Importen im Wert von jährlich rund 100 Milliarden Euro. Vor allem Fischereiprodukte, tropische Hölzer und exotische Tiere wie Zierfische und Reptilien machen einen Grossteil des Handels aus. Doch die Überwachung bleibt oft lückenhaft: Unsere Forschung zur Überwachung Nicht-CITES*-gelisteter Arten, wie mariner Zierfische, nutzte Daten aus dem Online-System Trade Control and Expert System (TRACES) der EU, das für den Import lebender Tiere sowie von Tier- und Pflanzenprodukten eingesetzt wird. Dabei zeigte sich, dass 30 Prozent, der zwischen 2014 und 2021 importierten marinen Zierfische keine Artidentifikation aufwiesen.
Die Katze beisst sich in den Schwanz: Ohne Artangaben lässt sich nicht zeigen, dass eine Art im Handel ist, und ohne Zahlen bleibt unbewiesen, dass der Handel ein Problem darstellt – ein Versäumnis, das sich über Jahrzehnte hinzieht.
Legal ist nicht nachhaltig
Die Lösungen liegen auf der Hand: Mit bestehenden Instrumenten wie TRACES, das seit über 20 Jahren Importdaten erfasst, könnte die EU eine umfassendere Kontrolle des Wildtierhandels etablieren. Als mächtige Märkte könnten die EU und die Schweiz den Handel endlich wirksam überwachen.
Es gilt als selbstverständlich, dass illegaler Handel schädlich ist – doch nur weil etwas legal ist, heisst das noch lange nicht, dass es nachhaltig ist. Nachhaltigkeit bedeutet, dass Arten, Ökosysteme und Lebensgrundlagen langfristig geschützt werden. Handeln wir jetzt, bevor die Zeit endgültig abgelaufen ist!
Zahlen, die das Ausmass verdeutlichen
Der internationale legale Handel mit Wildtieren hat seit 2005 um 500 Prozent und seit den 1980er-Jahren um 2000 Prozent an Wert zugenommen, teils durch Zucht oder Mästung1. Daten für Holz und kommerzielle Fischerei sind ausgenommen.
Gemäss der UN Food and Agriculture Organization (FAO) wurden im Jahr 2020 weltweit über 90 Millionen Tonnen Fische gefangen, was rund 3 Billionen einzelne Tiere ergibt – das ist eine 3 mit 12 Nullen2! Diese Zahl umfasst nur Wildfang und schliesst Zuchtfische sowie Krustentiere aus, die sich in der ähnlichen Grössenordnung bewegen3.
Für 2023 wurden weltweit laut FAO 1,92 Milliarden Kubikmeter Holz geschlagen4. Diese Menge würde eine beladene LKW-Kolonne ergeben, die 18-mal um den Äquator der Erde reicht, wenn jeder Lastwagen 25 Tonnen (10 Autos) transportiert.
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