Seit 2019 leistet unser Team auf den Galápagos-Inseln in Ecuador bemerkenswerte Arbeit zum Schutz der einzigartigen Tierwelt, die durch die ständige Präsenz von Touristen und den hohen Anteil an Haustieren wie Katzen und Hunden stark gefährdet ist.
Die Galápagos-Inseln, etwa 972 km vor der Küste Ecuadors gelegen, sind weltweit bekannt als die Wiege der Evolutionstheorie von Charles Darwin. Hier, auf diesem einzigartigen Archipel fand er die Inspiration für sein berühmtes Werk „Der Ursprung der Arten“. Die Inseln sind Heimat vieler einzigartiger Tierarten, von denen einige bereits ausgestorben sind, wie die Riesen-Schildkröte von Pinta. Das letzte männliche Exemplar, „Lonesome George“, starb 2012 im Alter von etwa 100 Jahren. Mit dem Verschwinden jeder Tierart verlieren wir nicht nur die Schönheit dieser Lebewesen, sondern auch einen Teil unseres Geistes und unserer Verbindung zur Natur.
«Lonesome George» war ein stiller Zeuge dafür, wie menschliche Aktivitäten das Überleben seiner Art gefährdeten. Er und seine Artgenossen ernährten sich von der Vegetation der Insel, die jedoch durch eingeschleppte Ziegen, die dieselben Pflanzen frassen, stark dezimiert wurde. Trotz erheblicher Bemühungen, den Schaden vor Georges Tod durch die vollständige Entfernung der Ziegen zu beheben, konnte die Population nicht gerettet werden. Zwar hat sich die Vegetation auf der Insel Pinta erholt, doch die Riesen-Schildkröten sind unwiderruflich verschwunden.
Solche Geschichten könnten sich auch auf anderen Inseln des Archipels wiederholen, wo zahlreiche spezielle Arten wie Seelöwen, hunderte von Vogelarten, Leguane und Eidechsen leben. Deshalb setzt sich die Fondation Franz Weber mit ganzer Kraft dafür ein, dass in diesem von der UNESCO 1978 zum Weltnaturerbe erklärten Paradies kein weiteres Artensterben stattfindet. 2019 landete unser Team in San Cristóbal, der politischen Hauptstadt der Galapagos-Provinz, um gemeinsam mit den Behörden und der Bevölkerung eine wirksame Schutzpolitik für diesen einzigartigen Ort und seine Fauna zu entwickeln – bevor es zu spät ist.
Ethische Lösungen
Bereits 2017 wurde in Ecuador das Umweltgesetzbuch (Código Orgánico de Ambiente) verabschiedet, das den Kommunalverwaltungen die Verantwortung für die Umsetzung von Richtlinien für die städtische Tierwelt, insbesondere für Katzen und Hunde, übertrug. Dies stellte die ideale Gelegenheit dar, um mit dem Bürgermeister von San Cristóbal zusammenzuarbeiten und die Entwicklung sowie Implementierung einer Gemeindeverordnung zu unterstützen – ein Prozess, der 2019 begann.
Warum konzentrieren wir uns auf Hunde und Katzen, anstatt ausschliesslich die Wildtiere zu schützen? Die Antwort ist einfach, wenn auch schmerzlich: Hunde und Katzen der Bewohner streiften oft unbeaufsichtigt umher und drangen in Gebiete ein, die von endemischen Arten bewohnt werden. Dies führte zu Angriffen auf Wildtiere, die getötet oder verletzt wurden, während es in der Region keinen tierärztlichen Dienst gab. Zudem bestand die gängige Methode zur Kontrolle der städtischen Tierpopulation darin, die Tiere zu vergiften – eine äusserst grausame, inakzeptable und ineffektive Praxis, die über Jahrzehnte hinweg durchgeführt wurde, ohne die Anzahl der frei herumlaufenden Hunde und Katzen zu verringern. Daher war es dringend erforderlich, das Problem strategisch und nachhaltig anzugehen und ethische Kontrollmechanismen für Haustiere zu finden.
Leider gab es trotz erheblicher Fortschritte im Januar dieses Jahres wieder traurige Nachrichten: Elf Seelöwenjungen wurden durch Angriffen von Hunden getötet.
Systematische und effiziente Arbeit
Zu Beginn des Projekts führte unser Team in Galápagos Haustürbefragungen durch, um die Situation der städtischen Tierpopulation zu analysieren und geeignete Massnahmen vorzuschlagen. Die Ergebnisse verdeutlichen das Ausmass der Problematik:
• 86% der Befragten gaben an, dass ihre Haustiere regelmässig streunten, und 57% berichteten, dass diese Tiere ohne Kontrolle ihrer Besitzer unterwegs waren. Dies zeigte die Auswirkungen auf die Nachbarschaft und die Bedrohung für die endemische Tierwelt.
• 62% der Befragten waren sich der Vorteile der Sterilisation nicht bewusst, und 86% hatten noch nie von Bildungsinitiativen zur städtischen Tierwelt gehört. Dies offenbarte die Notwendigkeit effektiver Bildungsprogramme.
• 100% der Befragten im Jahr 2019 äusserten die Notwendigkeit einer Verordnung zur Kontrolle der städtischen Tierpopulation.
Verantwortungsbewusstes Zusammenleben
Auf Grundlage dieser Erkenntnissen konnte unser Team die Regierung von San Cristóbal bei der Ausarbeitung einer Verordnung unterstützen, die die Sterilisation von Haustieren zur Pflicht machte, den Handel mit Haustieren verbot und Hundehalter zur Nutzung von Leinen und Mikrochips verpflichtete. Darüber hinaus wurden Bussgelder bei Nichteinhaltung festlegt. Zudem wurden Katzen offiziell als Haustiere anerkannt.
Die Covid-19-Pandemie verlangsamte die Arbeit, doch 2021 konnte die erste kommunale Verordnung zur städtischen Tierwelt in Puerto Baquerizo Moreno, der Hauptstadt der Galápagos-Provinz, verabschiedet werden. Diese Verordnung sieht „Null-Toleranz“ gegenüber Verstössen vor; die Behörden haben nun das Recht, schlecht betreute Tiere zu beschlagnahmen. Für diese Fälle wurde ein Transit-Zentrum eingerichtet, das als vorübergehendes Zuhause dient und Adoptionsmöglichkeiten in Ecuador schafft. Dabei arbeiten wir eng mit der Organisation Protección Animal Ecuador (PAE) zusammen.
Ein weiterer Eckpfeiler war die Aufklärung der Bevölkerung (San Cristóbal hat etwa 8’000 bis 10’000 Einwohner). Im Jahr 2021, nach der Verabschiedung der Verordnung, wurden Bildungsinitiativen in Schulen und Gemeindeveranstaltungen gestartet, um das Strassenbild von freilaufenden Hunden und Katzen zu verändern. Ein von unserer Stiftung erstelltes Handbuch zur verantwortungsvollen Tierhaltung wurde an 80% der Haushalte verteilt und ist sowohl online als auch auf Plakaten an beliebten Orten zugänglich. Dies wurde durch Hausbesuche, Vorträge und Schulungen ergänzt.
Erste Ergebnisse ermutigend
Die Verordnung hat tierärztliche Dienste und Sterilisationskampagnen gefördert, wodurch die jährlichen Sterilisationen von 200 auf 1’000 angestiegen sind. Die Organisation World Vets hat massgeblich zu diesem Erfolg beigetragen. Durch die Aufklärungskampagnen ist der Bedarf an Notfallbehandlungen für Strassenkatzen und -hunde spürbar zurückgegangen. Der nächste Schritt besteht darin, das flächendeckende Chipping der Hunde auf der Insel, während Katzen in einer zweiten Phase folgen sollen. Dies wird nicht nur die Identifikation erleichtern, sondern auch die illegale Einführung und Zucht kontrollieren.
Jüngste Massnahmen
Das Projekt befindet sich derzeit in einer entscheidenden Phase: dem Zensus der städtischen Tierwelt. Mit Unterstützung der Fondation Franz Weber werden Daten zu Haustieren, Katzenkolonien und dem Bedarf an Sterilisation gesammelt, um langfristige Lösungen zu finden. Die Erhebung, die etwa 50 Fragen umfasst, ermöglicht es uns, Chip-Implantationen vor Ort durchzuführen.
Bis heute sind die Ergebnisse vielversprechend: In den ersten drei Wochen des Zensus wurden 832 Haushalte besucht, und etwa 75% der Hunde und Katzen sind bereits sterilisiert, dank der durch die Verordnung vorgeschriebenen Massnahmen. Seit ihrer Gründung 2021 hat die Organisation World Vets über 2’000 Tiere sterilisiert, und wir erwarten, nächstes Jahr eine nahezu vollständige Sterilisationsquote zu erreichen.
Verwundbare Wildtiere
Noch viele Herausforderungen stehen uns bevor. Die Inseln sind die Heimat vieler Arten, die als „gefährdet“ in der Roten Liste der IUCN eingestuft sind, darunter Leguane, Seelöwen und Finken. Einige leiden unter Krankheiten, die von städtischen Tieren übertragen werden, wie dem Caninen Herpesvirus und dem Staupevirus, was die Sterblichkeitsrate unter den Seelöwen in den vergangenen Jahren erhöht hat.
Auch Bauvorhaben wie der geplante Luxustourismuskomplex an der Playa Punta Carola stellen eine Bedrohung für das empfindliche Ökosystem dar. Die Fondation Franz Weber unterstützt eine lokale Initiative, die das Projekt bis auf Weiteres stoppen konnte.
Unser Team auf den Inseln ist überzeugt, dass San Cristóbal mit seiner Politik des verantwortungsbewussten Zusammenlebens als Vorbild für die anderen Inseln und auch international dienen kann.
Wegbereiter des Wandels
Das Engagement unseres Teams unter der Leitung von Jorge Vázquez hat historische Veränderungen in der Beziehung der Inselbewohner zu den Tieren bewirkt und die Wahrnehmung des Naturschutzes auf den Galapagos-Inseln erheblich positiv beeinflusst. Durch ein Projekt, das auf Respekt basiert und den Wert der Bindung der Bewohner zu ihren Haustieren anerkennt, wird das Programm fortlaufend umgesetzt und weiter vertieft.
Die Arbeit der Fondation Franz Weber war entscheidend für den Aufbau von Allianzen und die Koordination von Behörden und Organisationen. Unser Team arbeitet aktiv mit den Bürgern, um deren Bedürfnisse zu verstehen und darauf zu reagieren, und schafft Räume für Interaktionen und Bildung rund um die städtische Tierwelt.
Die Kampagne „Verantwortungsvolles Zusammenleben“ hat sich zu einer nachhaltigen öffentlichen Politik entwickelt, die auch bei Regierungswechseln fortgeführt wird – ein grosser Erfolg. Der derzeitige Bürgermeister von San Cristóbal bestätigte, dass die täglichen Beschwerden über Hunde und Katzen stark zurückgegangen sind, was die positiven Veränderungen deutlich widerspiegelt.
Die Erfolge in San Cristóbal haben die anderen beiden Gemeinden im Archipel, Santa Cruz und Isabela, inspiriert, ebenfalls Unterstützung anzufordern. Das Saatgut für eine neue Ära des Naturschutzes auf den Galápagos-Inseln wurde gesät und beginnt nun, im gesamten Archipel zu gedeihen.