Ein 14-jähriger Bär tötete eine 31-jährige Bärin im Tierpark Goldau und die Verant-wortlichen bezeichnen dieses Verhalten als «natürlich». «Diese Erklärung ist absurd und kann auch mit keinerlei wissenschaftlichen Fakten belegt werden» ärgert sich der international anerkannte Bärenexperte Reno Sommerhalder, der diese Woche in Bern und in Schwarzenburg auf Einladung der Fondation Franz Weber (FFW) über das Leben der Bären in der freien Wildbahn referiert.
Im Tierpark Goldau kam es am Donnerstag, 21. April 2022, zu einem Kampf zwischen dem 14-jährigen Bären Takis und der 31-jährigen Bärin Leila. Die Bären leben normalerweise getrennt, jedoch in einer Gemeinschaftsanlage mit Wölfen. Sie werden jeweils getrennt in den Stall geholt, wo sie zur Beschäftigung gefüttert werden. Weil aus Versehen ein Durchgang nicht verschlossen war, trafen die zwei Bären aufeinander und es kam zu einem blutigen Kampf. Die schwer verletzte Bärin Leila musste daraufhin eingeschläfert werden. Für den international anerkannten Bärenexperten Reno Sommerhalder, der seit Jahrzehnten Bären in der freien Wildbahn beobachtet, ist der traurige Vorfall das Resultat einer unnatürlichen Situation: «Natürlich verletzten sich Bären ab und zu auch in freier Wildbahn. Doch solch aggressive Zwischenfälle sind in der Wildnis aus verschiedenen Gründen eher selten. Hauptsächlich weil der unterlegene Bär meist flüchten kann.»
Die Leitung des Tierparks Goldau bezeichnete in ihrer Medienmitteilung das Verhalten des Männchens als «natürlich», da nicht mehr reproduktionsfähige Weibchen von ihren männlichen Artgenossen angegriffen würden. Bärenexperte Reno Sommerhalder widerspricht dem vehement: «Dass sich männliche und weibliche Bären nur zur Paarungszeit treffen, stimmt absolut nicht. Und schon gar nicht, dass Weibchen, weil sie nicht länger paarungsbereit sind, von den Männchen getötet werden. Das ist absurd und kann auch mit keinerlei wissenschaftlichen Fakten belegt werden.» Das Gegenteil sei der Fall, sagt Reno Sommerhalder, denn «in freier Wildbahn habe ich wieder und wieder Szenen erlebt, wo jüngere und oft auch dominantere Tiere den älteren gegenüber mit viel Respekt begegnen.»
Für die FFW ist es eine bedenkliche Entwicklung, wenn die Menschen derartige Vorkommnisse in Gefangenschaft als Normalität betrachten, da sie das Leben der Bären in freier Wildbahn nicht kennen. Braunbären sind hochintelligent und leiden in Gefangenschaft besonders stark an Verhaltensstörungen, denn sie brauchen viel Platz. Die Tiere leben in der Wildnis als Einzelgänger, legen täglich Dutzende von Kilometern zurück und haben ein Streifgebiet von bis zu mehreren tausend Quadratkilometern, abhängig vom Nahrungsangebot und der Bärendichte.
Kaum jemand weiss das besser als Reno Sommerhalder, der das Leben der Tiere in der Wildnis beobachtet. Für den Bärenexperten ist denn auch der Fall klar: «In einem Gehege können Bären, egal wie gewissenhaft man es versucht, nicht artgerecht gehalten werden.»
Für Vera Weber, Präsidentin der FFW ist es deshalb höchste Zeit für ein Umdenken: «Anstatt neue sogenannte Bärenparks zu planen, ist es dringend notwendig, dass wir unsere Energie und Ressourcen darauf konzentrieren, die natürlichen Lebensräume für die da lebenden Tiere zu schützen und zu fördern.»
Der gebürtige Schweizer Reno Sommerhalder lebt seit 1986 in der Wildnis von Kanada und gilt als international anerkannter Bärenexperte. Am Donnerstag, 28. April 2022, ist er für einen Vortrag im Hotel Kreuz in Bern und bringt uns das Leben des Bären in freier Wildbahn näher.
Für den Vortrag in Bern gibt es noch wenige Plätze freie Plätze. |