30.03.2021
Viktoria Kirchhoff

Wenn die Regenzeit auf Bonrook beginnt

Der australische Staat Northern Territory war wegen der Corona Krise monatelang für Besucher aus Sydney und anderen Gebieten Australiens geschlossen. Sobald angekündigt wurde, dass der Staat im Norden des Landes wieder geöffnet wird, habe ich meine Reise nach Bonrook organisiert.

40 Grad brütende Hitze, windstill. Die Sonne brennt auf den australischen, roten Boden. Es ist Oktober und somit das Ende der Trockenzeit auf dem Franz Weber Territory. Im Vergleich zu meinem letzten Besuch hier im Februar sieht nun alles ganz anders aus: Gräser sind gelbbraun vertrocknet, Flüsse und Bäche sind leer, die Erde ist rau und rissig. «Wir hatten nur einen ganz kurzen Regen vor drei Wochen. Diesmal können wir viel weiter in das 500 Quadratkilometer (18 km mal 28 km) grosse Gebiet hineinfahren, da alles trocken ist», meint Bonrook Station Manager Sam Forwood, der nun schon seit Juni 1996 (bald 25 Jahre!) nach dem Rechten auf dem Franz Weber Territory schaut.

Wir fahren mit dem originalen Franz Weber Territory 4×4 Toyota Land Cruiser in den trockenen Busch. Vor 30 Jahren hatte die Fondation Franz Weber (FFW) dieses Auto neu in Darwin gekauft. Heute hat der alte Geländewagen weder Türen noch Glasscheiben, dafür sein zweites Schaltgetriebe und seinen dritten Motor. Er läuft noch immer einwandfrei, lacht Sam Forwood: «Auf Bonrook wird nichts weggeschmissen, das ich nicht noch irgendwie reparieren kann.»

Unser erster Stopp ist die nahe liegende Wasserstation, wo Wasser wäh- rend der Trockenzeit mechanisch aus dem Boden gepumpt wird, damit die Brumbies das ganze Jahr über mit Wasser versorgt sind. Dort platzieren wir neue Salzsteine, um die australischen Wildpferde während der heissen Trockenzeit mit genügend Vitaminen und Mineralien zu versorgen. Weiter geht es im offenen Toyota über staubige Stein- und Dreckwege und ausgetrocknete Flussbetten. Plötzlich sehen wir alle möglichen Tiere! Wir sind an einem natürlichen Billabong angekommen, welches Wasser hat. Hier tummeln sich mehrere Brumby Herden, wilde Kühe, Jabirus (ein storchähnlicher Vogel), Galahs, Australische Ibisse (White Ibis), Wasserbüffel mit Reihern (Egret) auf dem Rücken und schwarze Kakadus. Es ist eine wunderbar kunterbunte Versammlung!

Unzählige Herden mit Fohlen
Wir fahren tiefer in das Franz Weber Territory hinein. Es ist unglaublich: alle paar hundert Meter entdecken wir eine neue Brumby Herde! Das Fell der anmutigen Tiere glänzt, die Mähne ist dick und dicht. Obwohl es das Ende der Trockenzeit ist, und es weniger Futter in den letzten Monaten gab, sind sie gut genährt. Die Hengste rennen wild schnaubend umher und zeigen uns, dass sie der Boss sind und ihre Herde beschützen. Bis auf etwa 30 Meter kön- nen wir uns ihnen nähern, bevor sie davon galoppieren. In fast jeder Herde springen mindestens ein bis zwei herzige, kleine Fohlen umher. Alle sind geschätzte zwei Tage bis zwei Wochen alt. Ein gutes Foto von ihnen zu machen, ist aber gar nicht so einfach, da ihre Mütter sie stets beschützend abschirmen. Sam erläutert: «Die meisten Fohlen kommen hier im Oktober zur Welt, kurz vor dem Beginn der Regenzeit, wenn es bald wieder reichlich frisches, grünes Gras geben wird.» So viele Fohlen sind ein eindeutiges Zeichen, dass es den Brumbies auf Bonrook sehr gut geht. Sie sind fit, gesund und munter.

Faszinierende Natur
Während der Weiterfahrt bemerke ich Bäume, die aussehen, als wäre jemand davor erschossen worden: knallrote, dicke Masse hängt an den Baumstämmen und klebt auf dem Boden. «Kein Grund zur Aufregung!», ruft Sam. «Es ist bloss Harz, das am Ende der Trockenzeit in grossen Mengen aus dem Baumstamm herausquillt.» Es handelt sich um eine Art Eukalyptusbaum der Familie Bloodwood, dem Eucalyptus latifolia. Nach den kühleren, sehr trockenen Monaten sind die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit stark angestiegen, was dieses Ereignis hervorruft. Es sieht wirklich gruselig aus!

Wenig später entdecke ich auf grauem, hart vertrocknetem Dreckboden kleine, violette Blumen. Sam erklärt: «Vor drei Wochen hatten wir einen ganz kurzen, leichten Regen. Dies sind Brunoniella australis, auch Blue Trumpet genannt, welche nach dem allerersten Regenguss der Saison hier im subtropischen Australien wunderbar blühen.»

Da ist es wieder! Auf der Rückfahrt zum Homestead sehe ich das bezaubernde Nest meines Lieblingsvogels, des Graulaubenvogels. Dieses raffinierte Kerlchen hat sein beindruckendes Nest nebst mit Schneckenhäusern und grünen Glasscherben auch mit Knochen und Rossbollen dekoriert, um ein Weibchen für sich zu gewinnen.

Am Abend erleben wir einen Platzregen wie er im Bilderbuch steht. Es schüttet, blitzt und donnert wie wild. Es ist der erste richtige Regen nach der Trockenzeit. Am nächsten Morgen wollen wir wieder nach den Brumbies schauen. Diesmal aber nehmen wir die Quads, um nach dem Regen nicht im Schlamm stecken zu bleiben.

Ich bin überrascht, wie grün es über Nacht geworden ist! Nur ein einziger starker Regen hat das Gras zum Spriessen und Wachsen bis zwei Zentimeter gebracht. Dieses Naturphänomen – das überaus schnelle Wachstum – entsteht durch den hohen Stickstoffgehalt im Regen. Er wird durch die enorme Hitze und den Druck der Blitze in der Atmosphäre verursacht. Die Regenzeit hat begonnen und bald wird es auf dem Franz Weber Territory wieder so üppig grün sein wie im Februar, als ich das letzte Mal hier war.

 

Ein kleiner Rückblick in die Geschichte Pine Creeks

Das 500 Quadratkilometer grosse Franz Weber Territory grenzt an das verschlafene Städtchen Pine Creek, 2,5 Autostunden südlich von Darwin entfernt, im australischen Staat Northern Territory. Pine Creek liegt am Stuart Highway, die Autobahn, welche Adelaide mit Darwin verbindet. Der kleine Ort, in dem Menschen von indigener und europäischer Herkunft friedlich zusammenleben, hat heute etwa 350 Einwohner.

Pine Creek wurde im Jahr 1870 während der Errichtung der Transaustralischen Telegrafenleitung gegründet. Nachdem ein Arbeiter 1871 bei der Aushebung für einen Mast der Leitung im Gebiet des heutigen Pine Creeks Gold fand, brach ein Goldrausch aus. Pine Creek hatte über die Jahre seine Höhen und Tiefen, wie es üblich war während des Goldrausches. In Zeiten des Konjunkturhochs lebten bis zu 1500 Einwohner in Pine Creek.

Die Telegrafenleitung, die per Morsecode funktionierte, wurde über drei Jahre hinweg von 1870 bis 1872 gebaut und war bis 1964 in Betrieb. Von 1889 bis 1926 war Pine Creek die erste Endstation der Nordaustralischen Eisenbahn, die bis 1911 «Palmerston and Pine Creek Railway» hiess.

Die 3200 Quadratkilometer lange Strecke der Transaustralischen Telegrafenleitung wurde die erste Strasse, die den Süden und Norden Australiens von Adelaide nach Darwin verband. Weiter ermöglichte sie erstmals die telegrafische Verbindung mit Seekabeln von der Nordküste Australiens nach Indonesien und Europa.

Die alte Leitung führt noch heute südöstlich quer durch das Franz Weber Territory. Die noch vorhandenen Telegrafenleitungsmasten und -drähte unterliegen der Auflistung des lokalen Kulturerbes und dürfen nicht entfernt werden.

 

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