27.08.2024
Anna Zangger

Die Liebe zur Natur bei Kindern fördern

Wir alle kommen mit einer innigien Liebe zur Natur zur Welt. Leider verlieren die meisten diese ursprünglich in sich verwurzelte Verbindung im Laufe des Erwachsenwerdens – zum Nachteil aller Lebewesen und Pflanzen. Daher müssen wir unsere Kinder dabei unterstützen, ihre Verwurzelung mit der Natur nie zu verlieren, und wir sollten ihre innige Liebe zur Natur fördern. Das Zaubermittel dafür heisst: mit der ganzen Familie in die Natur eintauchen!

Kinder, die wir alle zunächst einmal sind, sind von der Natur fasziniert, von Insekten, Wolken, fallenden Blättern, … Unsere Gesellschaft, die sich so weit von der Natur entfernt hat, die gleichwohl unverzichtbar für uns ist, koppelt uns mit der Zeit von dieser eingeborenen Verbindung zu unserer Umwelt ab. Daher ist es unerlässlich, die Liebe zur Natur von frühester Kindheit an zu fördern, oder manchmal auch neu zu lehren – denn Kinder sind die Erwachsenen von morgen.

Neben der Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen für Umweltprobleme – denen sie sich heutzutage ohnehin nicht entziehen können – ist es die Entwicklung einer engen Bindung zu allen Lebensformen, die Zuneigung zu Tieren und die Ergriffenheit angesichts der Schönheit einer Landschaft, die den Unterschied macht.

Erziehung bedeutet, mit gutem Beispiel voranzugehen

Die Liebe zur Natur zu fördern ist ein Kinderspiel. Es genügt dazu, im Wald spazieren zu gehen, möglichst jenseits der ausgetretenen Pfade. Die Aufmerksamkeit unserer Kleinsten auf wunderbare Details zu lenken, wie die Form eines Tannenzapfens, die Färbung eines Blatts, die Maserung eines Schneckenhauses…  Ihnen zu erlauben, mit Stöcken, Steinen und Moos zu spielen, mit den Händen in der Erde zu graben, sich hinter Baumstämmen zu verstecken, in Pfützen zu springen. Irgendwann werden sie die Regie übernehmen, uns auf den Gesang eines Vogels hinweisen, den wir überhört hatten, auf eine Höhle in einem Baumstamm, in der Eier liegen, auf ein unter einem Baumstumpf ausgehobenes Schlupfloch.

Erziehung bedeutet, mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn wir in unseren Kindern die Freude am Kontakt mit der Natur wecken wollen, müssen wir dieses Glück in uns selbst wachrufen. Die Verbindung wiederherstellen, die wir allzu oft verloren haben. Wie das geht? Ganz einfach, indem wir draussen spazieren gehen. Selbst in den Städten verbergen sich Naturschätze, kleine Tiere, beeindruckende Bäume!

Die Waldschule

Die «forest school» oder Waldschule ist ein Konzept, das bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts in Nordeuropa weit verbreitet ist. Die Idee, vor allem in der Grundschule in grösserer Nähe zur Natur zu unterrichten oder Schulstunden teilweise oder sogar ganz im Freien und im Wald abzuhalten, findet aktuell in der Schweiz und im restlichen Europa immer mehr Anhänger.

Mehrere Studien belegen die positive Wirkung des Lernens im Freien. Diese Art Unterricht fördert das allgemeine Wohlbefinden und erleichtert den Erwerb von Wissen: die Kinder machen schnellere Fortschritte beim Lesen, Schreiben und Rechnen. Sie nehmen ihr Lernen, das von Natur aus interaktiv und konkret ist, selbst in die Hand, werden schneller selbständig und entwickeln leichter die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und sich gegenseitig zu helfen.

Die Umgebung, in der die Kinder heranwachsen, wirkt sich unmittelbar auf ihr Wohlbefinden und damit auf ihre Lernfähigkeit aus. «Forest schools» gehen noch einen Schritt weiter: Sie denken Bildung neu, etwa indem sie die Trennung zwischen den einzelnen Disziplinen aufheben. Anstatt eine Stunde Mathematik, dann eine Stunde Französisch, usw. zu lehren, wird der Unterricht als Projekt gestaltet (wie zum Beispiel das Kennenlernen eines Baumes). Dies erleichtert den Erwerb von Wissen, da die Gefühle und die Sinne angesprochen werden. 

Schulung zur Entwicklung von Empathie

Die Fondation Franz Weber (FFW) weiss, wie wichtig es ist, Kindern beizubringen, eine Beziehung zur Natur aufzubauen und sie insbesondere zu lehren, Mitgefühl für unsere Brüder und Schwestern, die Tiere zu empfinden. Tatsächlich ist statistisch erwiesen, dass Gewalt zwischen Menschen in Gesellschaften, die Formen der Gewalt gegen Tiere billigen, häufiger auftritt. Mit anderen Worten: Bringt man Kindern bei, Tiere als empfindungsfähige Wesen mit Gefühlen und Emotionen zu betrachten, die Angst, Schmerz und Trauer empfinden können, könnte man die zwischenmenschliche Gewalt reduzieren – und so eine bessere Gesellschaft schaffen!

Unter diesem Gesichtspunkt hat die FFW einen speziellen Lehrgang ausgearbeitet, der sich in erster Linie an öffentliche Verwaltungen richtet, um die jüngeren Generationen Empathie gegenüber Tieren zu lehren. Im Rahmen der Franz-Weber-Schule (Escuela Franz Weber, www.escuelaffw.org) bietet die FFW diesen Lehrgang kostenlos online an in der Hoffnung, dass bestimmte Sensibilisierungstechniken in den öffentlichen Unterricht integriert werden. Die Kampagne «Infancia sin violencia» (Kindheit ohne Gewalt) der FFW, deren Ziel es ist, Kinder von der Grausamkeit des Stierkampfs fernzuhalten, verfolgt den gleichen Zweck.

Bewahren wir die Artenvielfalt für unsere Kinder 

Wir können es nicht einfach künftigen Generationen überlassen, den massiven Verlust der Biodiversität einzudämmen, den wir derzeit weltweit und auch in der Schweiz (wo beinahe die Hälfte der natürlichen Lebensräume und gut ein Drittel aller bekannten Tier-, Pflanzen- und Pilzarten vom Aussterben bedroht sind) erleben. Wir müssen jetzt handeln, denn wie wollen wir die Verbindung zwischen unseren Kindern und der Natur wiederherstellen, wenn diese so gut wie nicht mehr existent ist?

Am 22. September 2024 stimmt die Schweiz über die eidgenössische Initiative «Für die Zukunft unserer Natur und unserer Landschaft» (Biodiversitätsinitiative) ab. Mit dieser Initiative soll ganz einfach dem Schutz der Natur, der Landschaft und des baukulturellen Erbes mehr Raum gegeben werden sowie mehr Geld zur Erhaltung der natürlichen Vielfalt zur Verfügung gestellt werden. Nichts Revolutionäres also. In unserer Zeit ist diese Initiative eigentlich eine Selbstverständlichkeit, um unsere Biodiversität etwas besser zu schützen, für uns und damit unsere Kinder auch weiterhin Tag für Tag über die Schönheit und Vielschichtigkeit der Natur staunen können.

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