02.10.2020
Leonardo Anselmi

Überfischung: Zerstört China die Galapagosinseln?

Da die weltweiten Fischbestände zu mehr als 80 Prozent erschöpft sind, halten die mächtigen chinesischen Fischerei-Unternehmen nach neuen Versorgungsquellen Ausschau. Um die globale Nachfrage zu befriedigen, sind sie zu allem bereit, und weiten nun ihr «Jagdrevier» auf eine Region aus, die gefährlich nahe am Meeres-Schutzgebiet der Galapagosinseln liegt.

Wird der Jagd nach Profit jemals Grenzen gesetzt werden? Derzeit ist die chinesische Regierung offenbar nicht gewillt, sich diese Frage zu stellen. Mit seinen rund 250 Fischkuttern, welche die Gewässer in der Nähe des Meeresschutzgebiets der Galapagosinseln durchstreifen, steuert China einmal mehr auf einen potentiellen Gesundheits- und Umweltskandal zu. Nachdem bereits ein mit einem wissenschaftlichen Peilsender ausgerüsteter Walhai auf mysteriöse Weise vom Radar verschwand, schlägt ein Minister der Regierung der Galapagosinseln nun Alarm: Was treibt China in der
Nähe eines der empfindlichsten und wertvollsten Ökosysteme der Welt? Da die Beifänge fast die Hälfte des weltweiten Fischfangs ausmachen (40 Prozent laut einer Studie von 2009), ist die Gefahr eines Ökozids in diesem einzigartigen Schutzgebiet real und betrifft möglicherweise Dutzende geschützter Arten. Unter Beifang versteht man den Fang von Arten, die nicht verkauft werden dürfen oder keinen Marktwert haben. Mit anderen Worten: Millionen Tonnen von Meerestieren werden gefangen, um sie danach entweder halbtot zurück ins Meer zu kippen oder auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen.

Überkonsum von Meeresprodukten
Das Hauptproblem ist der zügellose und ständig steigende Konsum von Fischerei-Erzeugnissen. Die Zahlen sind beängstigend: Seit 1990 stieg die Nachfrage für diese Waren um über 122 Prozent! Nach Ansicht der FAO sind bereits mehr als 80 Prozent der Fanggebiete überfischt. Bedenkt man, dass die meisten von ihnen schon jetzt kurz vor dem Kollaps stehen, so hiesse das beim derzeitigen Tempo, dass im Jahr 2050 mehr Plastikabfälle als Fische in unseren Ozeanen schwimmen! Doch statt seine Ernährungsgewohnheiten zu überdenken, um die Nachfrage zu senken, findet China neue Möglichkeiten, das Angebot an Meeresprodukten auszubauen und kommt dabei den Meeresschutzgebieten gefährlich nahe.

Frühere Vorfälle
Obwohl der ecuadorianische Verteidigungsminister versichert, dass kein Fischkutter in die ausschliessliche Zone des ecuadorianischen Archipels eingedrungen sei, ist die Sorge um die Galapagosinseln äusserst berechtigt: Schliesslich wäre dies nicht Chinas erster Versuch. Seit 2009 wurden 19 Boote wegen illegalen Fischfangs, Transports oder Handels mit geschützten Arten in dem Gebiet gestoppt. Und auch 2017 betraf die grösste Beschlagnahmung seit der Gründung des Nationalparks der Galapagosinseln ein Schiff unter chinesischer Flagge: Beim Aufbringen der Fu Yuan Len 999 wurden 300 Tonnen illegalen Fischfangs an Bord gefunden, darunter 6 000 gefrorene Haie. Die tatsächliche Bilanz fällt vermutlich noch deutlich höher aus. Denn die hier genannten Zahlen beziehen sich lediglich auf eines von 300 Booten, die damals diese Gewässer befuhren.

Fische kennen keine Grenzen 
Nächstes Problem: In der ausschliesslichen Zone und dem Meeresschutzgebiet gelingt es zwar, den Zugang von Fischkuttern bis zu einem gewissen Grad einzudämmen, doch die Meerestiere bewegen sich permanent zwischen den internationalen Gewässern und dem Schutzgebiet der Galapagosinseln hin und her. Für diese Schiffe ist es daher ein Leichtes, auf den Artenreichtum des Archipels zuzugreifen, ohne dabei die zulässigen Grenzen zu übertreten.

Die einschlägigen Fischereitechniken
Ein weiteres erhebliches Problem besteht darin, dass die angeprangerten Trawler die sogenannte «Langleinenfischerei» praktizieren – eine Technik, bei der über 50 Meter in die Tiefe reichende Leinen zum Einsatz kommen. Multipliziert man die Anzahl der Leinen mit der Anzahl der Schiffe, so erhält man eine regelrechte Mauer aus Angelhaken, die alles einfangen, was auf ihrem Weg liegt – auch geschützte Arten! Dieser bedauerliche Stand der Dinge lässt nur eine einzige Schlussfolgerung zu: Stellen wir unsere Ernährungsgewohnheiten nicht radikal in Frage, werden sowohl die Meeresschutzgebiete als auch unsere schutzwürdigen Arten bald verschwunden sein. Unsere Meere werden sich zu Massengräbern unter freiem Himmel entwickeln, die auf ewig Zeugnis von den Missetaten des Menschen ablegen werden.

 

Mehr Informationen:

  • Unsere Projektseite «Meeresschutz»
  • Dieser Artikel wurde erstmals im Journal Franz Weber 133 publiziert. Die PDF-Version aller bisheriger Journale finden Sie hier.
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