12.04.2021
Matthias Mast

Chronik der Zerstörung eines geschützten Feuchtgebiets

Seit anderthalb Jahren kämpfen die Fondation Franz Weber und ihre Schwesterstiftung Helvetia Nostra für die geschützten Feuchtgebiete in unmittelbarer Nähe zum Goetheanum, einem Kulturgut von nationaler Bedeutung. Wegen der Weigerung der Behörden, Naturschutzgutachten zu erstellen, ist der Fall vor dem Bundesgericht hängig. Trotzdem wird gebaut. Die Folge: Der Bach wurde verschmutzt und Quellen zerstört. Die Feuchtgebiete drohen endgültig auszutrocknen, und die Behörden schauen weiterhin tatenlos zu – ein Skandal, der zu einer Tragödie für die Natur werden könnte!

In einem einmaligen, von der Bevölkerung der Gemeinden Arlesheim (BL) und Dornach (SO) sowie von internationalen Gästen rege besuchten, Natur und Kulturraum wird eine Grossüberbauung realisiert. Dies geschieht in unmittelbarer Nähe zum Naturschutzgebiet «Schwinbach Aue» sowie zu weiteren, hangabwärts anschliessenden Feuchtgebieten. Wie aus einem Fachgutachten hervorgeht, beherbergen diese geschützten Feuchtgebiete nicht nur eine Vielzahl bedrohter und geschützter Tierarten, sondern sind durch ihre Vernetzungsfunktion auch von zentraler Bedeutung für die Biodiversivität der Region. Mit dem Goetheanum-Ensemble – sowie auch mit dem einmaligen Landschaftsbild Richtung Ermitage und Burg Birseck – gilt das Gebiet als ein einzigartiges, national geschütztes Kulturgut mit internationaler Ausstrahlung.

Fachgutachten belgen die drohende Zerstörung
Zum Schutz der Feuchtgebiete hat sich eine von der Fondation Franz Weber und ihrer Schwesterstiftung Helvetia Nostra unterstützte Bewegung formiert, die «Initiative Natur- und Kulturraum Dornach/Arlesheim». Denn die grüne Oase am Schwinbach ist verschiedenen Experten zufolge durch das Bauprojekt «La Colline» akut bedroht. Angesichts der Gefährdung der Naturschutzzone hat die Initiative Natur und Kulturraum Dornach/Arlesheim vor Baubeginn bei drei renommierten Biologen entsprechende Fachgutachten in Auftrag gegeben und diese sowohl den Behörden als auch der Bauherrin zur Verfügung gestellt. Die drei Expertisen belegen, dass die gefährdeten Feuchtgebiete durch mehrere Quellen im südwestlichen Grenzbereich der Bauparzelle gespeist werden. Wie Probebohrungen gezeigt haben, werden die Quellen ihrerseits durch unterirdische Wasserströme aus dem Bau-Areal versorgt. Der geplante Aushub einer 200 Meter langen Tiefgarage sowie umfangreiche Bohrungsarbeiten werden nach Auffassung der Gutachter eine gravierende Beeinträchtigung der Wasserversorgung zur Folge haben. Damit droht die irreversible Zerstörung der Naturschutzzone sowie der angrenzenden Feuchtgebiete.

Ungeegnetes und schädliches Drainagekonzept
Die Experten prüften insbesondere auch das geplante Konzept zum Schutz der Gebäude vor Hangwasserschäden, welches laut Aussage der Bauherrin zugleich den Erhalt der Feuchtgebiete garantieren soll. Dieses Drainage-Konzept wurde jedoch von den Ingenieuren ohne Beizug von Biologen zum Zwecke des Immobilienschutzes entwickelt. Dementsprechend beurteilen sämtliche Fachgutachter das Drainagekonzept als ungeeignet, um den Fortbestand der Feuchtgebiete zu gewährleisten. Vielmehr gehen sie davon aus, dass das geplante Wasserregime die Feuchtgebiete noch zusätzlich schädigen wird.

Missachtung der gesetzlichen Vorgaben
Fazit der drei Gutachten: Die drohende Zerstörung der hangabwärts an die Bauparzelle anschliessenden Feuchtgebiete verstösst gegen die kantonale und eidgenössische Naturschutzgesetzgebung. Zudem verbietet auch das Zonenreglement der Gemeinde Arlesheim explizit die schädigende Be- und Entwässerung der Naturschutzzone «Schwinbach Aue». Tatsächlich wurde der Einwand, dass das Projekt das Naturschutzgebiet gefährde, bereits 2013 per Einsprache gegen den Quartierplan eingebracht. Eine naturschutzfachliche Prüfung dieser Gefährdung wurde jedoch von allen Instanzen inklusive des Kantonsgerichts abgelehnt. Die kantonale Fachstelle für Natur und Landschaft gab 2020 eine Stellungnahme ab, in der sie die Existenz der bedrohten – von Biologen bezeugten und im Feld ohne Weiteres sichtbaren – Quellen bestritt. Daran hält sie bis heute fest.

Wiedererwägung vorsorglicher Schutzmassnahmen vor Bundesgericht
Helvetia Nostra und die Fondation Franz Weber setzen sich daher seit anderthalb Jahren auch auf dem Rechtsweg dafür ein, dass die Naturschutzgesetze im Rahmen des Bauprojekts «La Colline» eingehalten werden. Dieses Verfahren ist aktuell vor dem Bundesgericht hängig. Zum Schutz der Feuchtgebiete während der Hauptverhandlung verhängte das Bundesgericht am 7. Oktober 2020 einen provisorischen Baustopp, verweigerte jedoch Helvetia Nostra in dieser Frage das ihr zustehende Replikrecht.
In der Folge übermittelte die Bauherrin dem Bundesgericht unwidersprochen die irreführende Information, dass die schützenswerte Vegetation durch Rodungen bereits zerstört sei. Diese Fehlinformation führte zur Aufhebung des verhängten Baustopps, obwohl die Feuchtgebiete zu diesem Zeitpunkt intakt waren.

Die Bauvorhaben wurden trotzdem vorangetrieben
Aufgrund dieses Verfahrensfehlers und gestützt auf die drei Fachgutachten stellte Helvetia Nostra am 30. November Antrag auf Wiedererwägung provisorischer Schutzmassnahmen. Auch das Goetheanum beantragte als Eigentümerin der bedrohten Feuchtbiotope Ende November 2020 vor Bundesgericht sofortige, vorsorgliche Schutzmassnahmen für das gefährdete Gebiet. Derzeit sind diese beiden Anträge sowie die inhaltliche Hauptverhandlung vor Bundesgericht hängig. Trotzdem – und unter Missachtung der zahlreichen Proteste aus der Bevölkerung – hat die Bauherrin, die Steiner AG, mit den Bauarbeiten begonnen und treibt sie mit Hochdruck voran. Ein Skandal mit schwerwiegenden Folgen!

Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht
Die Steiner AG hat unterdessen mit ihrer Bautätigkeit die Nordquelle beinahe gänzlich trockengelegt und damit die Naturschutzgesetzgebung massiv verletzt. Mittlerweile drohen sämtliche Quellen zu versiegen! Noch grösser wurde der Schaden dadurch, dass Massen von Beton – mutmasslich ohne entsprechende Absicherungen – in den Boden gepumpt wurden, was zu einer Verschmutzung des Wassers führte. Die Fondation Franz Weber und die Helvetia Nostra haben nun Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht, wegen erfolgter und drohender weiterer Beeinträchtigung sowie Verschmutzung
des Schwinbachs samt Quellen auf dem Goetheanum-Areal. Zudem hat die Fondation Franz Weber der Eigentümerin des Goetheanums, der Allgemeinen Antroposophischen Gesellschaft (AAP), in ihrem Kampf für das bedrohte Naturgebiet einen Rechtsanwalt zur Verfügung gestellt. Die AAP hat ihrerseits Strafanzeige wegen Sachbeschädigung eingereicht.

Und es kam noch viel schlimmer als befürchtet
Doch es wird munter weitergebaut – mit dem Segen der Behörden des Kantons Baselland, obwohl bislang noch keine «Lösung» für die Erhaltung des Naturschutzgebiets existiert. Im Gegenteil: Kurz vor Redaktionsschluss des Journals wurde das gesamte Quellgebiet neben dem Naturschutzgebiet zubetoniert. Damit haben sich die Befürchtungen der Helvetia Nostra bewahrheitet. Vor diesem Hintergrund dürfte es sehr schwer werden, langfristig tragfähige Lösungen zur Erhaltung des Naturschutzgebiets zu erarbeiten.

Es geht um geschützte Feuchtgebiete!
Das Grenzgebiet Dornach-Arlesheim entlang des Schwinbachs liegt eingebettet in eine sanfte, grüne Hügellandschaft mit ausgedehnten naturnahen Gärten, einem grossen wertvollen Baumbestand sowie geschützten Feuchtgebieten. Das Gebiet verfügt über einen grossen Reichtum an Pflanzen und Tieren, die teils als seltene und gefährdete Arten unter Schutz stehen. In diesem ökologisch und landschaftlich wertvollen Gebiet steht im Kanton Solothurn (Dornach) das Goetheanum als einzigartiges, national geschütztes Kulturgut mit internationaler Ausstrahlung, an der Grenze zu Baselland (Arlesheim). Geplant sind am Fuss des Goetheanumhügels auf einem Areal von rund 25 500 Quadratmetern zwei ausgedehnte Überbauungen, einerseits das Projekt «La Colline» mit 29 Wohnungen und 16 Reihen-Einfamilienhäusern, andererseits eine Überbauung auf dem Areal «Schwinbach Süd» mit knapp 60 Wohnungen. Beide Projekte sind im Kanton Baselland situiert, direkt an der Kantonsgrenze zu Solothurn unmittelbar nördlich des Goetheanums. Die Fondation Franz Weber und ihre Schwesterstiftung Helvetia Nostra setzen sich mit allen rechtlichen Mitteln dafür ein, dass das in unmittelbarer Nähe zu den Überbauungen gelegene ökologisch wertvolle Gebiet mit einem grossen Reichtum an Tieren und Pflanzen erhalten bleibt und die geschützten Feuchtgebiete nicht zerstört werden. Leider haben weder die Gemeinde- noch die Kantonsbehörden auf die längstens angekündigte und bereits in Gang gesetzte Zerstörung des geschützten Gebiets reagiert. Der Fall ist beim Bundesgericht hängig.

 

Es ist höchste Zeit, dass die Steiner AG Verantwortung für die von ihr verursachten Schäden übernimmt. Das heisst, sie muss auf alle Eingriffe neben dem Naturschutzgebiet verzichten, die hinsichtlich der Wassersituation zu einem «fait accompli» führen könnten.
Konkret bedeutet das: Ohne die Beratung durch ausgewiesene Experten dürfen keine Drainagen mehr eingebaut, keine Gräben ausgehoben, keine Flächen zubetoniert werden. Ein Verstoss dagegen hätte zur Folge, dass sich die Schäden nicht mehr rückgängig machen liessen und das Feuchtgebiet definitiv verloren wäre. Dann würde auch der (zu späte) Entscheid des Bundesgerichts nichts mehr nützen.

 

Mehr Informationen:

  • Unsere Projektseite «Überbauung am Schwinbach»
  • Dieser Artikel wurde erstmals im Journal Franz Weber 135 publiziert. Die PDF-Version aller bisheriger Journale finden Sie hier.
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