17.11.2023
Anna Zangger

Der lange Kampf von Helvetia Nostra gegen Windparks

Die Fondation Franz Weber (FFW) kämpft mit ihrer Schwesterorganisation Helvetia Nostra (HN) seit Jahren gegen Windparkprojekte, vor allem in der Westschweiz. Aktuell werden in allen Regionen der Schweiz neue Projekte ins Leben gerufen. Dank unserer Erfahrung können wir die wirksamsten Waffen gegen die Vorhaben ins Feld führen.

Bisher stand vor allem das Juramassiv mit den Kantonen Waadt und Neuenburg im Fokus von Windkraftprojekten. Auch wenn diese enorme Auswirkungen auf die Natur, die Landschaft und die Vogelwelt haben, werden immer mehr Windparks errichtet. Und dies ohne wirkliche Koordination und ohne eine echte Gesamtvision. Gegen die Projekte von Ste-Croix, «Sur Grati», Mollendruz, «Bel Coster», «Grandsonnaz», «Eoljoux», «Eole-de-Ruz» und Montagne-de-Buttes hat Helvetia Nostra Einsprachen und Beschwerden eingereicht, oft zusammen mit lokalen oder nationalen Natur- und Landschaftsschutzorganisationen.

Unsere Argumente betreffen die unermessliche Zerstörung der natürlichen Lebensräume durch Zufahrtsstrassen, Sockel und Anlagen, die für den Bau und die Wartung der Windkraftanlagen erforderlich sind. Die Anlagen haben Auswirkungen auf die Vogelwelt, insbesondere auf Zugvögel und Fledermäuse. Sie beeinträchtigen aber auch die Berglandschaften, für die unser Land so bekannt und beliebt ist. Dies ist umso einschneidender, da sich einige der oben erwähnten Projekte in unmittelbarer Nähe zueinander befinden.

Interesse an «Energiewende» überwiegt
Kommt ein Vorhaben vor das Bundesgericht, wird die Energieversorgung leider meist als vorrangig gegenüber den Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes eingestuft. Die Produktion von Windenergie wird fast automatisch mit nationalen Interessen gleichgestellt oder sogar als höherwertig betrachtet, so bestätigt das Hohe Gericht immer wieder. Dies gilt selbst dann, wenn die jährliche Produktionsmenge nur 20 Gigawattstunden beträgt, was im Vergleich zu anderen Formen der Energieproduktion äusserst gering ist.

Das Bundesgericht unterschlägt derzeit entscheidende Fragen: Wie gravierend dürfen die Auswirkungen auf Naturwerte sein? Wie steht es mit Auswirkungen, die sich kumulieren, weil sie Natur, Landschaft, die Vogelwelt und andere Bereiche betreffen? Noch wichtiger: Welche gemeinsamen Auswirkungen haben die verschiedenen Windkraftprojekte, insbesondere auf die Vogelwelt? Und wie lässt sich das Fehlen jeglicher Koordination zwischen ihnen rechtfertigen?

Bisher konnte HN zumindest ein Windkraftprojekt im Juramassiv verhindern: das sogenannte «Eoljoux»-Projekt. Bei diesem wurde der Eingriff in die Landschaft als zu gross eingestuft. Es drohte die teilweise Zerstörung eines Objekts, das im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN) klassifiziert ist. Dazu wäre das Hauptbalzgebiet des Auerhuhns im Waadtländer Jura beeinträchtigt worden. Leider geben die Promotoren trotz dieses Entscheids keine Ruhe und planen weiterhin neue Projekte.

Hoffnungsschimmer: Schutz der Vogelwelt

Die Aussichten für die Schweizer Natur und Landschaft sind düster, wenn es um Windkraft geht. Den Lichtschimmer sieht man derzeit beim Schutz der Vogelwelt. Die Auswirkungen von Windparks auf den Vogelzug müssen genau überwacht werden, und die Windkraftanlagen müssen abgeschaltet werden, wenn ein hohes Risiko für die Arten besteht. Aus diesem Grund konzentrieren sich unsere Einsprachen und Rekurse auf diese Punkte. Sie werden bei diesen gigantischen Projekten inmitten von wichtigen Lebens- räumen oder Migrationskorridoren oft nur unzureichend untersucht und berücksichtigt.

Der Kampf geht trotz laufender Verfahren weiter
Derzeit sind die Verfahren für Windparkprojekte in zwei Phasen unterteilt: Zunächst wird ein Nutzungsplan öffentlich aufgelegt. Gegen diesen kann Einspruch erhoben werden. Wird der Nutzungsplan genehmigt, wird das konkrete Bauprojekt öffentlich aufgelegt, und die Beschwerdeverfahren sind wieder offen. Dies könnte sich mit dem «Mantelerlass» ändern, der vom Bundesparlament verabschiedet wurde. Er soll die Genehmigung von Windenergieprojekten beschleunigen. Neu soll es nämlich nur noch eine einzige Phase für die öffentliche Anhörung und Einsprachen geben.

In Le Mollendruz steht HN vor einer weiteren Herausforderung. Dort hat das Bundesgericht den Nutzungsplan trotz der Beschwerden für gültig erklärt. Der Plan wird aktuell öffentlich aufgelegt. Im Rahmen des konkreten Bauprojekts soll eine Reihe von Elementen wieder aufgenommen und verfeinert werden, so verlangte das Gericht. Insbesondere müssen die Mass- nahmen zum Schutz von Vögeln und Fledermäusen genau festgelegt werden. Erst kürzlich hat HN Einsprache gegen das Bauprojekt erhoben. Sie ist unter anderem der Meinung, dass diese besonderen Vogelschutzmassnahmen aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichts ungenügend sind.

Auf dem Grossen Sankt Bernhard im Wallis stagniert das Windkraftprojekt seit mehreren Jahren. Das Kantonsgericht hat die Beschwerde von HN und weiteren Organisationen gutgeheissen, und nun ist das Verfahren beim Walliser Staatsrat hängig. Die Beschwerden richteten sich gegen den Bebauungsplan zum Projekt, in dem der Staatsrat keine korrekte Abwägung aller Interessen vorgenommen hat. Bevor eine Entscheidung gefällt

wird, sollen die Auswirkungen auf die Vogelwelt untersucht werden, hauptsächlich auf den Bartgeier. Eine offene Frage betrifft ausserdem die geschätzte Energieproduktion. Weil sie äusserst unterschiedlich und unsicher beurteilt wird, verlangt das Kantonsgericht von den Erbauern eine Präzisierung.

Diese Siege und Etappensiege ermöglichen es uns, unsere Argumente in den laufenden und kommenden Verfahren gezielter einzusetzen: Die Ansatzpunkte liegen beim Schutz der Vogelwelt und bei der Interessenabwägung.

Schwierige Zukunft für Natur und Landschaft

Trotz dieser Siege sieht die Zukunft für die Schweizer Natur und Landschaft nicht sehr rosig aus. Der Bevölkerung werden Windkraftprojekte als klima- freundliche Energiequelle schmackhaft gemacht. Dabei sieht man über die Risiken für die Vogelwelt hinweg und unterschlägt, dass Windenergie in der Schweiz ineffizient ist. Selbst wenn der Beitrag zur nationalen Energiesicherheit noch so gering ist, wertet das

Bundesgericht die Energieproduktion durch Windkraft höher als Natur- oder Landschaftselemente. Das Parlament versucht, den berüchtigten «Mantelerlass» um jeden Preis durchzusetzen, und räumt der Erzeugung von «grüner» Energie Vorrang vor praktisch allen anderen öffentlichen oder privaten Interessen ein. Damit sprechen Politik und Gerichte möglicherweise das Todesurteil für die althergebrachten Naturwerte unseres Landes aus.

Das werden sich die FFW und HN allerdings nicht gefallen lassen! Wir werden weiterhin dringliche oder anderweitig alarmierende Gesetzesent- würfe bekämpfen, welche die biologi- sche Vielfalt und unsere Landschaften ausser Acht lassen. Denn wenn natürliche Lebensräume und lebenswerte Umwelt zerstört werden, wird das Leben auf der Erde aufhören zu existieren. Die Schweiz und die Menschheit stehen am Scheideweg. Sie müssen sich entscheiden, ob sie den zerstörerischen Lebensstil fortsetzen oder die Grundlagen für ihre Existenz erhalten wollen.

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