25.05.2021
Leonardo Anselmi

ZOOXXI – Grundstein in Barcelona gelegt!

Die Fondation Franz Weber hat ein Projekt für einen modernen Zoo entwickelt, der den moralischen Vorstellungen der Gegenwart angepasst ist: ZOOXXI. Schon bald wird Barcelona das Konzept in der Praxis umsetzen.

Was lange währt wird endlich gut! Während über zehn Jahren entwickelte die Fondation Franz Weber (FFW) zusammen mit der Tierschutzorganisation Libera ein Modell für den Zoo der Zukunft namens ZOOXXI, das den moralischen Vorstellungen der vielen verantwortungsbewussten Menschen entspricht, welche den Wertewandel punkto Wildtierhaltung vorantreiben wollen. Die jahrelange Arbeit wurde nun vom Erfolg gekrönt. Die Stadt Barcelona übernimmt ZOOXXI für ihren eigenen Tierpark. Eine Bürgerinitiative der FFW und Libera erreichte nämlich am 3. Mai 2019 eine Gesetzesänderung im Stadtrat, und läutete damit das Ende des aktuellen Zoomodells von Barcelona ein.

ZOOXXI in Barcelona – ein erster Schritt in die Zukunft
Der historische Sieg ist der erste Schritt der Kampagne ZOOXXI, bei der es um die grundsätzliche Entscheidung geht, uns endlich von der Vorstellung der Herrschaft des Menschen über Tier und Natur zu verabschieden, und uns einem Konzept des friedlichen Zusammenlebens anzunähern.

Doch was ist ZOOXXI eigentlich?
In einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender von Barcelona wurde ich gebeten, das Projekt in wenigen Worten zu erläutern. Ich antwortete schlicht: «ZOOXXI leistet all das, was die Zoos von sich behaupten». Auf den Punkt gebracht: Die Zoos behaupten stets, sie würden einen Beitrag zur «Erhaltung» der Arten leisten, die Bevölkerung «bilden» und für die Schwierigkeiten, mit denen die Tiere im heutigen Zustand unseres Planeten konfrontiert sind, «sensibilisieren». Doch man kommt nicht umhin, sich einzugestehen, dass es den Zoos lediglich gelungen ist, sich selbst zu erhalten. Sie behaupten, «Forschung» zu betreiben, doch was sie über in Gefangenschaft lebende Tiere lernen,
lässt sich einzig und allein im Rahmen der Gefangenschaft anwenden. Neue Erkenntnisse über das natürliche Verhalten und die Bedürfnisse der Tiere in ihrer natürlichen Umgebung kann man so nicht gewinnen. Die Zoos sprechen von «Bildung», hinterfragen jedoch niemals das von ihnen selbst praktizierte Modell der Gefangenschaft. Das Angebot der Kampagne ZOOXXI lautet, diese Versprechen mit der Realität in Einklang zu bringen, und die Zoos fit für das 21. Jahrhundert zu machen.

Was schlägt ZOOXXI vor?
ZOOXXI schlägt eine ökologische, wissenschaftliche und ethische Revolution vor, eine Umgestaltung der Zoos weltweit, um sie an die moderne
Wissenschaft und an die Ethik des 21. Jahrhunderts anzupassen. Der Grundgedanke besteht darin, die Zoos, die bislang beinahe ausschliesslich dem Vergnügen gedient haben, in Orte zu verwandeln, in denen die Forschung, der Arterhalt und die Bildung im Mittelpunkt stehen. Dazu ruht das ZOOXXI-Modell auf fünf Säulen:

Arterhalt, das heisst, der Schutz der Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum hat höchste Priorität. Zoos müssen konkrete Erhaltungsprogramme in freier Wildbahn (in situ, also vor Ort) durchführen und sich nicht darauf beschränken, einzelne Tiere hinter Gittern auszustellen. Aus diesem Grund muss der Schwerpunkt auch auf lokalen oder regionalen Arten liegen. Für den Zoo, der sich auf den Arterhalt konzentriert, bedeutet dies, dass Reproduktion nur dazu betrieben wird, die Tiere mittel- und langfristig wieder in die Freiheit zu entlassen.

Wissenschaft: Jeder Zoo soll ein Zentrum zur wissenschaftlichen Erforschung des natürlichen Verhaltens der Tiere und des tierischen «Empfindens» einrichten. Mit «Empfinden» ist gemeint, dass Tiere als Individuen kognitive und emotionale Fähigkeiten und definitiv eine Form des Bewusstseins besitzen. Ziel ist es, unsere Kenntnisse darüber zu verbessern, und bei dieser Gelegenheit unsere Empathie für alle Tierarten zu fördern.

Ethik: Zoos dürfen sich nicht darauf beschränken, Tiere aus anderen Weltregionen «auszustellen». Tatsächlich müssen sie sich in Zentren
verwandeln, die Tiere, die verletzt oder gefährdet sind, oder von der Polizei aufgrund illegalen Handels beschlagnahmt wurden, aufnehmen, pflegen und wieder freilassen. Ebenso muss ein ethischer Zoo auf das Schlachten von «überschüssigen» Tierjungen und auf den Fang
freilebender Tiere verzichten.

Good Governance, oder anders ausgedrückt: Vollständige Transparenz bei den angewandten Verfahren und Entscheidprozessen. Um dieses Prinzip zu beachten, muss ein Wissenschafts- und Ethikausschuss mit Experten für alle gehaltenen Tierarten gebildet werden.

Bildung – und zwar echte – in Hinblick auf das natürliche Verhalten und die Empathie für andere Arten. Diese Form der Bildung lässt sich mit Hilfe der neuesten Immersionstechnologien vermitteln, also mit multimedialen Mitteln, in direkter Verbindung mit vom Zoo durchgeführten konkreten Erhaltungsprojekten vor Ort. Die Zoos müssen die Aus- und Zurschaustellung von Tieren durch die Beobachtung von Wildtieren in ihrer natürlichen Umgebung nach und nach ersetzen.

Schutz der Arten und ihrer Lebensräume
Der jüngsten wissenschaftlichen Forschung und der aktuellen Entwicklung der Ethik zufolge sind Tiere Wesen, die über körperliche und seelische Sensibilität, kognitive und emotionale Fähigkeiten sowie über verschiedene Formen eines Bewusstseins verfügen. Akzeptiert man diese Tatsache, so steht ausser Frage, dass die Gefangenschaft für diese Lebewesen nur Leiden bedeutet, insbesondere, weil sie es ihnen unmöglich macht, sich natürlich zu verhalten.

ZOOXXI stellt das aktuelle Haltungsmodell der Zoos, das auf Kommerz und Profit, auf der Fortpflanzung und dem Austausch von Tieren beruht, von Grund auf infrage. Das Projekt fordert von den Unterhaltungsstätten, mithilfe von Naturschutzprogrammen den Fokus auf den Schutz der Arten und der einzelnen Tiere zu legen. Der beste Weg, die Artenvielfalt zu schützen, besteht darin, Massnahmen zum Schutz der Lebensräume zu ergreifen.

Da sich das Artensterben und der Verlust von Lebensräumen immer stärker beschleunigen, erscheinen solche Massnahmen umso dringlicher. Ausserdem hätten Zoobesucher so die Möglichkeit, das natürliche Verhalten der Tiere unmittelbar zu erleben. ZOOXXI schlägt die Ausstattung der Zoos mit einem wissenschaftlichen und technologischen Zentrum vor, in dem Besuchende mittels multimedialer und interaktiver Erfahrungen die vom Zoo durchgeführten In-situ-Schutzprojekte entdecken und das Verhalten der Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum besser verstehen können. Auf diese Weise wird eine echte Bildung stattfinden, die zu einem neuen – respektvollen und dem Schutz der Biodiversität verpflichteten – Verhalten führen wird.

Schliessung von Zoos soll vermieden werden
Die Zoos des 21. Jahrhunderts werden dank ZOOXXI miteinander vernetzt sein: Statt Tiere untereinander auszutauschen, werden sie sich Bilder und wissenschaftliche Erkenntnisse aus den verschiedenen Schutzprogrammen zusenden. Sie werden eng zusammenarbeiten – ein Zoo wird ein bestimmtes Gebiet schützen, während sich der nächste um weitere Habitate kümmert – genau so wie der dritte, etc. . Jeder Zoo übernimmt Verantwortung.

Die Kampagne ZOOXXI möchte die Schliessung der Zoos unbedingt vermeiden. Wie aus einem von der FFW in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen in Barcelona erstellten Bericht hervorgeht, hätte die Schliessung der Zoos verheerende Folgen für die derzeit dort lebenden Tiere, da sie bestenfalls in anderen Zoos enden würden. Oft werden sie an Gerbereien oder exotische Restaurants verkauft… Nur die wenigsten Tiere könnten auf Gnadenhöfe oder in Reservate überführt werden, und nur eine verschwindend geringe Zahl würde in die freie Wildbahn
entlassen. Daher wird in dem neuen Zoomodell nicht die Schliessung der Zoos gefordert, denn dann liesse man sich eine grossartige Gelegenheit entgehen. Wir können die heute bestehenden Zoos umgestalten und die Einrichtungen und Fachleute nutzen. Denn sie sind in der Lage, verletzte und leidende Tiere, die gerettet und gepflegt werden müssen, aufzunehmen.

ZOOXXI ist die Zukunft: Die beste Art, unsere alten Irrtümer in eine fruchtbare Beziehung des Menschen zur ihn umgebenden Welt umzuwandeln, unsere Zukunft nicht länger auf Ausbeutung und Verachtung, sondern auf Empathie und Vernunft zu gründen. Zuerst Barcelona, dann der Rest der Welt. Noch Millionen Tiere müssen gerettet, Millionen Lebensräume geschützt und hunderte Zoos revolutioniert werden.

 

Mehr Informationen:

  • Unsere Projektseite «ZOOXXI»
  • Dieser Artikel wurde erstmals im Journal Franz Weber 128 publiziert. Die PDF-Version aller bisheriger Journale finden Sie hier.
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