Die Gegner des Stierkampfs feierten am 28. Juli 2020 den 10. Jahrestag der Abschaffung der Corrida in Katalonien. Der Kraftakt der BĂ¼rgerplattform «PROU!» und ihren Partnern, darunter die Fondation Franz Weber (FFW), veränderte nicht nur das Leben der Stiere in dieser Region. Die gewaltigen Anstrengungen offenbarten zugleich die Macht der Demokratie mit Mitsprache-Recht. Zudem wurden TierschĂ¼tzer auf der ganzen Welt zur Nachahmung angeregt.
Freudentränen bei allen Menschen, denen das Schicksal der Tiere am Herzen liegt. Sie feierten die historische Abschaffung des Stierkampfs in Katalonien am 28. Juli 2010. Auch die Stierkampf-Anhänger weinten – jedoch vor lauter Wut. Welcher Schmach fĂ¼r diese mächtige Lobby, die enge Beziehungen zu den höchsten Instanzen Spaniens pflegt. Welch ein Symbol! Katalonien setzte ein starkes Zeichen, und setzte sich vom Ă¼brigen Spanien ab. Katalonien bewies: Im Land der Iberer – dort wo der Stierkampf aus der Taufe gehoben wurde – ist man imstande zur Barbarei nein zu sagen.
Ein historischer SiegÂ
FĂ¼r Maricinia Alvarez, eine engagierte venezolanische Stierkampfgegnerin, bedeutete dieses Gesetz die «Niederlage der Skepsis». Denn weltweit glaubten weder Anhänger noch Gegner des Stierkampfs daran, dass die tief verwurzelte Tradition eines Tages verschwinden könnte. Grund: eine mächtige und einflussreichen Elite verteidigte leidenschaftlich den Stierkampf.
Katalanische BĂ¼rger fĂ¼r VerbotÂ
Zwar hatten einige politische Gruppierungen versucht Initiativen zum Verbot des Stierkampfs vorzulegen, dies ohne Erfolg. Als jedoch eine Umfrage von 2007 ergab, dass sich eine erdrĂ¼ckende Mehrheit der katalanischen BĂ¼rger fĂ¼r ein Verbot dieses Spektakels aussprach, wurden die Weichen neu gestellt. Und als FFW und «PROUI!» feststellten, wie gross die UnterstĂ¼tzung der Ă–ffentlichkeit war, bot sich eine unverhoffte Gelegenheit. Nun war es an uns zu entscheiden, wie wir diese Chance nutzen konnten.
BĂ¼rgerplattform «PROU!»
Das Zusammentreffen gĂ¼nstiger Umstände verlieh der Bewegung eine neue Dynamik. Zu dieser Zeit lief eine Gesetzesinitiative des Volkes (ILP) zum Verbot gentechnisch veränderter Erzeugnisse, die von zahlreichen TierschĂ¼tzern unterstĂ¼tzt wurde. Wir nutzten dieses förderliche Klima zur Mobilisierung und zur Diskussion. In der Folge wurde die BĂ¼rgerplattform «PROU!» gegrĂ¼ndet und lanciert – benannt nach dem katalanischen Wort «Genug!». Damals konnten wir uns die spätere Tragweite unserer Initiative nicht einmal ansatzweise vorstellen! Die Volksinitiative war die tödliche Waffe der Aktivisten: Der Kampf zur Abschaffung des Stierkampfs wurde nicht nur von einer isolierten und marginalisierten politischen Partei gefĂ¼hrt – er brachte den Willen der gesamten Gesellschaft zum Ausdruck.
Barcelona wurde zum VorbildÂ
Nicht nur der Tierschutz wurde durch diesen Sieg gestärkt – er ist zugleich ein Triumph der Demokratie. Barcelona wurde weit Ă¼ber seine Grenzen hinaus zum Vorbild: dieser Sieg ist eine glänzende Lektion fĂ¼r alle, die fĂ¼r eine bessere Welt kämpfen! Katalonien kann stolz sein: dort wurde ein Präzedenzfall geschaffen, von dem sich TierschĂ¼tzer auf der ganzen Welt bei ihrem Vorgehen leiten lassen können. Und der Fall Kataloniens zeigte einmal mehr, dass das Volk die Macht hat, die Dinge zu verändern – wenn es aktiv wird!
Vera Weber im katalanischen ParlamentÂ
Am 29. Juli 2010 trafen sich mehrere Mitglieder der Plattform «PROU!» mit der FFW-Präsidentin Vera Weber, welche die Plattform seit ihrer GrĂ¼ndung unterstĂ¼tzt hatte. Die FFW setzte sich damals bereits seit Jahren fĂ¼r die Abschaffung des Stierkampfs ein. Die Einladung ins katalanische Parlament, um dem «Anfang vom Ende» der Folter der Stiere beizuwohnen, sei eine grosse Ehre fĂ¼r sie gewesen, sagt Vera Weber. Die FFW und ihre Präsidentin waren schon immer davon Ă¼berzeugt, dass es gelingen wird, den Stierkampf weltweit abzuschaffen. Deshalb schlossen sich bereits 2010 mehrere Mitglieder von «PROU!» dem FFW-Team an. Die Arbeit in den acht Ländern, wo Stierkämpfe stattfinden, wird vor Ort zusammen mit Organisationen weitergefĂ¼hrt.
Stierkampf-Anhänger zitterten
Nicht nur fĂ¼r die TierschĂ¼tzer wurden am 28. Juli 2010 die Weichen neu gestellt. Zum ersten Mal zitterten die «aficionados» – die Stierkampf-Anhänger. Die Verfechter der Tierquälerei, welche unsere Bewegung lächerlich machte und uns als eine «Minderheit» abstempelte, musste nun auf die harte Tour erfahren, dass sie in der «Minderheit » sind. Seitdem ist die FFW und ihr starkes Team als effizienter und allgegenwärtiger Akteur an allen Prozessen zur Abschaffung des Stierkampfs auf der ganzen Welt beteiligt. Tatsächlich verlieh diese Volksinitiative der Stierkampf-Debatte eine neue Dimension: sie hob die Diskussion auf eine höhere Ebene, womit die Misshandlung und Folter der Tiere politische und gesellschaftliche grosse Bedeutung erhielt.
Der gesunde Menschenverstand hat gesiegtÂ
2016 hob das spanische Verfassungsgericht das Gesetz zum Verbot von Stierkämpfen in Katalonien auf. Doch bis heute fand seit Inkrafttreten dieses Gesetzes in Katalonien kein einziger Stierkampf mehr statt! Der gesunde Menschenverstand hatte eben gesiegt, daran kann auch ein Gericht nichts ändern. In der Mathematik ist ein Axiom eine als richtig erkannte Aussage, die keines Beweises bedarf. Im Volksmund könnte man von der «Theorie des gesunden Menschenverstands» sprechen. Wenn man eine Linie zwischen mehreren Punkten zieht, sagt einem der gesunde Menschenverstand, dass sie miteinander verbunden sind. Implizit lässt sich daraus ableiten, dass es zwischen diesen Punkten zu einem Schneeballeffekt kommen kann. Auf den Kampf zur Abschaffung des Stierkampfs angewandt, ist die Theorie der Axiome eine perfekte Metapher fĂ¼r Katalonien. Tatsächlich kann man davon ausgehen, dass Katalonien dank der Arbeit der Plattform «PROU!» und des FFW als Ausgangspunkt fungierte, der einen Kaskadeneffekt auslöste. Dort gelang es die Verbindung zwischen den verschiedenen Akteuren herzustellen und so die Wirkung ihrer Aktionen in der ganzen Welt zu vervielfachen.
Die Abschaffung der GrausamkeitÂ
«In Katalonien wurde die Bibel des Abolitionismus geschrieben», argumentierte der damalige kolumbianische Senator Camilo Sanchez, als er 2011 ein Gesetz zur Abschaffung des Stierkampfs im Kongress vorstellte. Mit diesen Worten fasste er die Vorträge zusammen, die Experten und Wissenschaftler im März 2010 vor dem katalanischen Parlament gehalten hatten. Laut Camilo Sanchez fand in Katalonien der Ăœbergang von einer Debatte zwischen Stierkampf-Anhängern und -Gegnern zu einer Aussprache zwischen Stierkampf-Anhängern und Abolitionisten statt. Mit anderen Worten: man diskutierte nicht mehr Ă¼ber die BefĂ¼rwortung oder Ablehnung des Stierkampfs, sondern Ă¼ber die Abschaffung oder Nicht-Abschaffung der Grausamkeit. In 15 Vorträgen legten «PROU!»-Experten dem Parlament die besten Argumente gegen den Stierkampf dar: Aus wissenschaftlicher, philosophischer, politischer, historischer, anthropologischer, kultureller sowie aus rechtlicher Sicht. Miteinbezogen wurde auch sogar die Meinung eines ehemaligen Stierkampf-Anhängers. Mit Hilfe dieser Vorträge wurde eine Argumentationsbasis geschaffen. Diese Grundlage gestattet es, jede einzelne der fadenscheinigen Geschichten zu widerlegen, welche Stierkampf-Anhänger gebetsmĂ¼hlenartig wiederholen, um die grausame Tierquälerei zu rechtfertigen.
Dank FFW jetzt echte ReformenÂ
Der Domino-Effekt war damit noch nicht zu Ende. Auf der ganzen Welt, wo Stierkämpfe stattfinden, wurden immer mehr Slogans formuliert, die sich am «Katalonien-Effekt» inspirierten. Von Portugal bis Lateinamerika wurden Plattformen gegrĂ¼ndet, um die abolitionistische Bewegung zu stärken. Die Zeit der sterilen Demonstrationen und des Dilettantismus war vorbei. Nach Katalonien sowie dank des beharrlichen Engagements der FFW – kann heute die Anti-Stierkampf-Bewegung echte Reformen vorschlagen. So waren in Mexiko, am Tag nach dem katalanischen Verbot, in einer der belebtesten Avenue Plakate mit dem Slogan «Folgen wir Katalonien – nicht dem Stierkampf» zu sehen. Das Ziel: mexikanische Politiker aufzufordern, Stellung zu beziehen. Nicht ohne Grund: in Mexiko befindet sich die grösste Arena der Welt, das Monumental, mit Ă¼ber 52 000 Plätzen!
In Siena sollen Pferderennen verboten werden
Da Katalonien kein Monopol auf Tierquälerei hat, diente das Gesetz in einigen Ländern als Anstoss, um das Engagement fĂ¼r ihre eigenen im Namen der Tradition misshandelten Tiere voranzutreiben: In der italienischen Stadt Siena hat ein traditionelles und archaisches Pferderennen von unerhörter Grausamkeit unter dem Namen Palio traurige BerĂ¼hmtheit erlangt. Dabei kommen jedes Jahr mehrere Pferde zu Tode. Die damalige Tourismusministerin, Michela Brambilla, die das Schicksal der Tiere nicht gleichgĂ¼ltig liess, veröffentlichte im katalanischen Parlament folgende Erklärung: «Wenn Katalonien den Stierkampf verboten hat, können die Italiener auch Pferderennen wie den Palio von Siena verbieten.»
Referendum in Ecuador angenommen
Einige Monate später, Ende 2010, war Ecuador am Zug: es kĂ¼ndigte ein landesweites Referendum an, in dem das Volk Ă¼ber das Verbot von Spektakeln, bei denen Tiere getötet werden, entscheiden sollte. Dieses Referendum wurde in der Mehrheit der Regionen angenommen.
Auch Kolumbien fĂ¼hrt jetzt Kampf gegen CorridaÂ
Ein anderes Land, das zum Vorreiter fĂ¼r diese Institutionalisierung der Abschaffungsdebatte wurde, ist Kolumbien. 2012 unterstĂ¼tzte der damalige BĂ¼rgermeister von Bogota, Gustavo Petro, den Kampf gegen die Corrida. Er wies wiederholt darauf hin, dass der Fall Katalonien ihn zur Nachahmung angeregt habe.
FFW hat die Anti-Stierkampfbewegung professionalisiertÂ
Die FFW und ihre Partner können stolz auf die geleistete Arbeit sein. Ihnen ist es zu verdanken, dass sich die Anti-Stierkampf-Bewegung professionalisiert und zu einer ernstzunehmenden Gegnerin der Stierkampf-Anhänger auf der ganzen Welt entwickelt hat. Das «katalanische Modell» hat Ă¼berall seinen Stempel hinterlassen. Es hat dazu beigetragen, tausende von Stieren zu retten und die Debatte Ă¼ber Tiere menschlicher zu fĂ¼hren. Doch der Kampf ist noch längst nicht zu Ende: nicht nur, weil mächtige Lobbys weiterhin unsere Anstrengungen untergraben und der Stierkampf in acht Ländern noch immer praktiziert wird, sondern auch, weil er nicht die einzige verabscheuungswĂ¼rdige Tradition ist, an der Stiere beteiligt sind.
Neuer Vorstoss gegen CorrebousÂ
Die «Correbous» sind in Katalonien nach wie vor erlaubt. Bei diesen «Spektakeln» sterben die Stiere zwar nicht, doch die Qualen sind nicht akzeptierbar: Zuerst werden ihre Hörner angezĂ¼ndet, dann treibt man sie durch die Strassen, wo sie mit Seilen misshandelt werden. Deshalb unternahmen wir vor zwei Jahren einen neuen Vorstoss mit einer Plattform, der die wichtigsten Tierschutz-Organisationen Kataloniens angehören. 2019 nahm das Parlament einen Antrag an, dessen Ziel die Entwicklung von Massnahmen ist, die es erlauben, auch die Correbous zu verbieten. Zehn Jahre sind seit dem katalanischen Geniestreich vergangen: es ist an der Zeit, eine neue Heldentat zu vollbringen!