05.10.2020
Anna Zangger

Sieg für Montreux

Dank Helvetia Nostra, Tochterorganisation der Fondation Franz Weber, fallen der bestehenden Bauten, die Landschaften und Grünflächen von Montreux nicht der ausufernden Überbauung zum Opfer.

Nach einer mehr als zehnjährigen erbitterten Auseinandersetzung gibt das Bundesgericht der Stiftung recht und stoppt den Allgemeinen Nutzungsplan (ANP) der Gemeinde: Eine herbe Niederlage für die ansässigen Behörden, die nach dem vorliegenden Bundesgerichtsurteil ihr Raumplanungskonzept nun komplett überarbeiten müssen. Und gleichzeitig der Beleg dafür, dass Montreux seine Raumpolitik ändern muss und nicht unter dem Beton ersticken darf.
Montreux: Eine wunderschöne Kleinstadt zwischen Schwindel erregenden Berggipfeln und dem Blau des Genfersees. Eine ruhige Ortschaft, die nicht nur während des berühmten Jazz-Festivals jährlich Tausende von Touristen anzieht. Doch Montreux birgt auch eine andere Seite, die eine fragwürdige Raumplanung, Baufehler, eine relativ chaotische Raumgestaltung und vor allem den mangelnden Willen, die Landschaft und die Grünflächen der Stadt zu erhalten, offenbart. Der neue, 2007 von der Stadt erarbeitete Allgemeine Nutzungsplan (ANP) enthielt nicht nur die Fehler der Vergangenheit, sondern noch schlimmer: Ebendiese Fehler sollten institutionalisiert werden. Bei Helvetia Nostra schürte dies die schlimmsten Befürchtungen für die Zukunft von Montreux, und kämpfte deshalb seit 2007 gegen die Verabschiedung des ANP. Nun setzte sie sich durch: Montreux kann aufatmen.

Nutzungsplan von 1972 – seit mehr als 40 Jahren hinfällig!
Die Gemeinde Montreux verfügt über einen kommunalen Nutzungsplan, der seit Jahren hinfällig ist, denn er stammt aus dem Jahr 1972. Gemäss Schweizer Raumplanungsgesetz (RPG) bestand deswegen die Verpflichtung, einen neuen Allgemeinen Nutzungsplan (ANP) zu erstellen, der den raumplanerischen Anforderungen des Bundes- und Kantonsgesetzes gerecht werden sollte. Ab 2007 wurde der ANP erarbeitet. Bereits ein erster ANP-Entwurf, der einer Umfrage unterzogen wurde, erhielt damals 88 Gegenstimmen und Kommentare.

Einspruch gegen den ANP-Entwurf – langer Kampf für Helvetia Nostra
Der heftige Widerstand gegen den ANP-Entwurf von 2007 brachte die Gemeinde dazu, mehrere Änderungen am ursprünglichen Entwurf vorzunehmen. 2013 wurde eine zusätzliche öffentliche Umfrage durchgeführt, bei der sich ebenfalls zahlreiche Gegenstimmen erhoben (44!), darunter diejenige von Helvetia Nostra. Die Tochterorganisation der Fondation Franz Weber brachte vor, dass der ANP den Schutz der bestehenden Bebauungen, der mit Bäumen bepflanzten Räume und der Anhöhen von Montreux nicht gewährleistete. Dennoch wurde der ANP 2014 vom Gemeinderat verabschiedet. 2015 erteilte dann auch der Kanton seine Zustimmung.
Dies konnte und wollte Helvetia Nostra nicht hinnehmen. Es folgte ein langjähriger Rechtsstreit über mehrere Instanzen: Zunächst vor dem Kantonsgericht, das die Einsprüche von Helvetia Nostra zurückwies und dem umstrittenen ANP recht gab. Doch genau wie die anderen Beschwerdeführer liess sich auch Helvetia Nostra nicht von der Kantonsentscheidung entmutigen und legte mithilfe des seit vielen Jahren für die Initiative arbeitenden Rechtsanwalts Rudolf Schaller vor dem Bundesgericht Einspruch ein.

Urteil des Bundesgerichts – Erfolg für Helvetia Nostra
Am 16. April 2020 gab das Bundesgericht Helvetia Nostra recht und stoppte den ANP von Montreux endgültig. Für die Stiftung ist dies ein grosser Sieg, dank dem ihre langjährige Arbeit für den Schutz sowohl der bestehenden Bebauung als auch der Landschaft und der Grünflächen von Montreux nun mit Erfolg gekrönt wird.
Das Urteil – das zweifelsohne als Grundsatzentscheid für zukünftige Planungen gelten wird – ist ein starker Rüffel des Bundesgerichts an die Gemeinde Montreux. Mit der Einschätzung, die Gemeinde Montreux halte sich «seit mehr als 30 Jahren» nicht an die Rechtsprechung, beurteilte das Bundesgericht die Situation dieser Stadt als «absonderlich und nicht nachvollziehbar».

Zu grosse Bebauungsflächen
Aus technischer Sicht bemerkte das Bundesgericht, dass der ANP von Montreux gegen Artikel 15 RPG verstösst, da die im ANP vorgesehene Bebauungsfläche zu gross und schwer abgrenzbar ist. Tatsächlich ist die Gemeinde ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, die übergrossen Bebauungsflächen zu reduzieren oder zu belegen, dass die vorgesehenen Bebauungsflächen einem für die nächsten 15 Jahre nachgewiesenen und vorhersehbaren Bedarf entsprechen. Noch schlimmer: Um die Begrenzung der Bebauungsflächen zu verhindern, nutzte die Gemeinde eine rechtliche Grauzone aus und klassifizierte zahlreiche Parzellen als «reservierte Flächen» (insgesamt nahezu 80 000 Quadratmeter!) – das heisst, als Bebauungsflächen, die vorübergehend nicht bebaut werden, in der Zukunft aber bebaut werden könnten. Das Bundesgericht beschied: Die Bebauungsfläche eines Nutzungsplans darf nicht künstlich durch die Festlegung von reservierten Flächen reduziert werden. Diese «Trickserei» verstösst gegen Bundesrecht.

Die Anhöhen von Montreux müssen Teil des ANPs werden
Das Bundesgericht kritisierte ebenfalls, dass die Gemeinde Montreux sich darauf beschränkt hatte, den urbanen Teil ihres Raums zu regulieren, was insbesondere die Anhöhen von Montreux, die im Norden des Gemeindegebiets gelegenen Dörfer, ausschloss. Gemeinden müssen bei der Aufstellung ihrer Nutzungspläne auf eine koordinierte Planung für den gesamten Raum achten, um eine «ganzheitliche Vorstellung» und ein gewisses Mass an Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die Orte Les Avants, Caux und Vallon de Villars müssen daher in den ANP integriert werden.

Zurück auf Anfang
Die Gemeinde Montreux muss nun den Nutzungsplan von Grund auf neu erarbeiten, und diesmal das Bundesrecht beachten. Insbesondere darf sie die Vorschriften über die Festlegung von Bebauungsflächen nicht mit missbräuchlichen Raumplanungswerkzeugen umgehen. Montreux darf sich dabei keinen Fehler mehr erlauben: Der neue ANP muss tadellos sein.
In Bezug auf die derzeit laufenden Baugenehmigungsprozesse in Montreux herrscht Unsicherheit. Klar ist, dass der ANP von 1972 hinfällig ist und der neue, vom Bundesgericht gestoppte ANP nicht gilt. Unter diesen Umständen könnte es durchaus dazu kommen, dass Baugenehmigungen eingefroren werden. Für diese Gemeinde, die seit Jahren unter einer schlechten Bauplanung leidet, ist dies vielleicht die Gelegenheit, erst einmal wieder durchzuatmen.

  • Dieser Artikel wurde erstmals im Journal Franz Weber 133 publiziert. Die PDF-Version aller bisheriger Journale finden Sie hier.
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