26.09.2023
Patrick Schmed

Tief in der Zukunft verwurzelt

Die Fondation Franz Weber (FFW) fordert und fördert eine tierfreundliche Landwirtschaft und die Proteinwende. Deshalb präsentiert die FFW mit grosser Freude den Bauer Bernhard Hänni, der bei der Produktion von Gemüse auf seinem Biohof in Noflen neue grüne Pfade beschreitet: Zusammen mit seinem Team produziert er ganz ohne chemische oder tierische Stoffe, zu hundert Prozent pflanzlich und mit vollem Bezug zur Vergangenheit.

«Ja, ich muss zugeben, dass ich in der Schule bekannt war für meine kritischen Fragen», verrät Bernhard Hänni, der nicht ganz branchenkonforme Landwirt und Gemüsebauer aus Noflen. Er hätte aber auch «geliefert, nicht nur gelafert», schickt er nach. Sowohl in der landwirtschaftlichen Lehre wie in der Zweitausbildung als Gemüsebauer zeichnete sich der Gürbetaler durch seine anpackende Art und seinen unbändigen Wissensdurst aus. «Ich habe während meiner Ausbildungszeit konventionelle Methoden, Hors-sol, Milchwirtschaft, Bio, Demeter und weitere Ausprägungen der Landwirtschaft kennengelernt, damit hat sich mein Horizont stark erweitert», findet Bernhard Hänni bei der Retrospektive. Aus all den Eindrücken hat er sich seinen eigenen Weg zusammengestellt und folgt seither dem Motto «Geht nicht, gibts nicht».

«Die spinnen doch»
Klar, das Umfeld hat ihn geprägt, denn die Eltern von Bernhard Hänni haben schon 1969 auf Bio umgestellt und das Gemüse an den Markt in Thun geliefert. «Sie wurden vom Konsumentinnenforum angefragt», erinnert sich der heutige Betriebsleiter des Biohofs Hänni. Auf dem Markt stiessen Hännis auf rege Nachfrage, in der Branche auf Unverständnis – «die spinnen doch», hörte man aus dieser Ecke häufig. Ganz genau auf die Kundenbedürfnisse zu hören, ist eine Fähigkeit, die scheinbar in den Genen liegt, denn genau das machen Bernhard Hänni und sein Team heute immer noch, unter anderem im Stadthofladen Thun. «Wir sind drei Stellen Rechenschaft schuldig», so der Leitspruch des Unternehmers. «Uns selbst, den Kunden und der Natur.»

Guter Boden
Wenn die eine Generation den Boden an die nächste weitergibt, sollte dieser in einem besseren Zustand sein als bei der Übernahme, so ein weiterer Grundsatz, der zu den Werten des Biohofs Hänni gehört. Doch wie schafft man das? «Indem man die Natur möglichst machen lässt» – auch hier geht Bernhard Hänni zurück zu den Wurzeln, zu den Grundsätzen der Landwirtschaft, wie sie ganz früher betrieben wurde. Kein Kampf, wie er beispielsweise im Wort «Unkrautbekämpfung» vorkommt, sondern eine Produktion, die im Ökosystem integriert ist. «Wir brauchen hier gerne das Wort Kreislauf, aber eigentlich ist es eine Spiralbewegung.» Dazu liefert der Landwirt gleich ein bildliches Beispiel: «Wenn ein Blatt an einem Baum wächst und im Herbst fällt, entstehen daraus Nährstoffe für Wachstum und neue Blätter – das sind aber nie die gleichen wie im Vorjahr». Passend zu diesem Bild steht vor dem gemütlichen Bauernhaus ein ikonischer Baum. Er wurde gepflanzt, als Bernhard Hänni mit 14 Jahren seinen Berufswunsch ins Auge fasste und die Fragen zur «richtigen» Landwirtschaft sich in seinem Kopf zu bilden begannen. Im Lauf der Jahre hat sich der Baum zu einer Augenweide entwickelt – auch wenn es sich um eine Linde handelt.

Die richtige Form der Landwirtschaft
Welches ist denn die richtige Form der Landwirtschaft – auf diese Frage gibt es keine allgemeine Antwort. Für Bernhard Hänni und seine Familie gibt es die richtige Antwort allerdings zugeschnitten auf den eigenen Hof. «Wir setzen Effektive Mikroorganismen und an einigen Orten Kompost ein, um das Wachstum zu beschleunigen, sonst nichts», macht er deutlich. Der Tüftler hat leichte Maschinen selbst entwickelt, die auf den grünen Wegen zwischen den Beeten fahren und kaum Druck auf den Boden ausüben. Denn der Boden ist alles. Wenn da alles drin ist, von den Bakterien bis zum Regenwurm, dann können der Boden und die darauf wachsenden Pflanzen Schädlinge auf natürliche Weise abwehren. «Schnecken gehören zum Oxidationsprozess; man könnte sie mit den weissen Blutkörperchen vergleichen», bringt der Gemüseproduzent ein weiteres Gedankenbild auf die Matte. Zu viele Schnecken seien ein Zeichen für geschwächte Pflanzen – vielleicht, weil die Gewächse durch Düngemittel zu anfällig wurden oder weil Pflanzenschutzmittel das Bodenleben beeinträchtigt haben.

Ahoi zur Proteinwende
Ab und zu habe er früher den Begriff «vegane Düngung» angeführt, um den Unterschied zu Düngemitteln aus Schlachtabfällen zu betonen, so Bernhard Hänni. Diese seien auch bei der Bioproduktion zugelassen, aber natürlich nicht rein pflanzlich. Dass unsere Gesellschaft möglichst von tierischen Produkten wegkommen muss, ist für den Gemüseproduzenten klar, wenn es darum geht, die Natürlichkeit der Umwelt zu bewahren, die Weltbevölkerung zu ernähren und das Wohl der Tiere zu gewährleisten.

Eier ausverkauft
«Wir hatten früher Hühner, aber irgendwann ging es für uns nicht auf, jedes Jahr Scharfrichter für gesunde Tiere zu spielen», sagt Bernhard Hänni zum Stichwort Tierhaltung. So verschwanden die rund 100’000 Bioeier, die pro Jahr verkauft wurden, auf einen Schlag aus dem Sortiment. Wie haben die Kunden darauf reagiert? «Wir haben einen offenen Brief geschrieben, der auf der Website und im Stadthofladen immer noch verfügbar ist», erklärt Bernhard Hänni. Der Gemüseverkauf hätte nicht darunter gelitten, und statt Enttäuschungsbekundungen gab es zahlreiche Dankesschreiben. Das hätte nicht mal das Team vom Biohof Hänni erwartet! Doch genau die Menschen auf dem Hof in Noflen und im Laden in Thun zeigen jeden Tag aufs Neue, dass nicht immer alles so ist, wie man es sich vorstellt, sondern häufig noch viel besser.

 

Proteinwende: Eine Schule für den Wandel
Im Jahr 2022 engagierte sich die Fondation Franz Weber (FFW) dezidiert in der Abstimmungskampagne für die Initiative gegen Massentierhaltung in der Schweiz. Die Initiative passt sich in die FFW-Kampagne mit dem Titel «Proteinwende» ein und zielt darauf ab, den Konsum von tierischen Produkten zu reduzieren – zum Wohle der Tiere, der Natur, der Menschen und unseres Planeten.

Die FFW hat die Kampagne zur Proteinwende in Lateinamerika lanciert. Dort werden ganze Ökosysteme durch übermässige Massentierhaltung oder intensiven Sojaanbau für Futtermittel zerstört. Um den Folgen der extensiven Fleischwirtschaft entgegenzutreten, hat die FFW eine «Protein Transition School» ins Leben gerufen. In mehreren Schritten unterstützt die Schule für die Proteinwende lokale Gemeinschaften dabei, ihre Ernährungsunabhängigkeit zu sichern und ihre traditionellen Lebensweisen zu bewahren. Die Schule richtet sich auch an Behörden. Sie sollen für die Problematik der Ernährungsautonomie und den Schutz der Umwelt vor Übernutzung sensibilisiert werden.

Die FFW arbeitet in erster Linie mit der Gemeinschaft El Algarrobal des Qom-Volkes im Norden Argentiniens zusammen. Mit Hilfe unseres Anwalts in Argentinien, Leonardo Barnabá, ist es den Qom gelungen, ein Mega-Projekt zur Intensivtierhaltung zu bremsen, das von einem chinesischen Unternehmen finanziert werden sollte. Wir unterstützen die Gemeinschaft in Argentinien unter anderem durch die Einrichtung einer Bibliothek. Darin wird das uralte Wissen über Waldpflanzen erfasst und weitergegeben. So kann verhindert werden, dass mündlich überlieferte Erfahrungsschätze verloren gehen. Um den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu gewährleisten, wird die FFW das Qom-Volk beim Bau von insgesamt 36 Brunnen unterstützen. Massentierhaltung hat erwiesenermassen verheerende Auswirkungen auf die Wasserqualität. In einem nächsten Schritt werden gemeinschaftliche Gemüsegärten angelegt, dank denen sich das indigene Volk selbst ernähren kann.

Ähnliche Initiativen werden derzeit auch in weiteren Gemeinden lanciert, unter anderem in der Karibik und auf der Halbinsel Yucatán in Mexiko.

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