28.12.2019
Julia Fischer

Bewusster Konsum als «Zauberformel»

Warum ich seit einem Jahr nur noch einmal pro Woche Fleisch esse, und wie mir das Verzichten aufs «Ganz-Verzichten» viele positive Begegnungen bescherte.

Die Tage werden kürzer und somit die Abendstunden länger, die uns Zeit zum Innehalten, zum Reflektieren und Nachdenken bieten. Nicht umsonst nehmen viele Menschen das Neue Jahr jeweils zum Anlass, Vorsätze zu fassen und mit alten Mustern zu brechen, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen, und fürs kommende Jahr Pläne zu schmieden. Vielleicht geht es Ihnen auch so?
In dieser Zeit vor einem Jahr fasste ich in einem Moment der Ruhe – nach einigen hektischen Vorweihnachtstagen, gefolgt von kulinarischen Weihnachtsfeiern, ausgedehnten Familientreffen und sportlichen Ausflügen – einen Entschluss fürs anstehende 2019: Ich nahm mir vor, nur noch einmal pro Woche Fleisch zu essen. Und ich bin bis heute bei diesem Entschluss geblieben.

Warum habe ich diesem Vorsatz relativ «einfach» folgen können – im Gegensatz zu vielen anderen in früheren Jahren gefassten? Ich glaube, die «Zauberformel» dazu besteht aus zwei Komponenten:
Einmal pro Woche. Einmal pro Woche klingt machbar, oder?
Die meisten von uns Menschen orientieren sich ganz natürlich am Wochenrhythmus. Montag bis Sonntag, in diesen Zeitbögen bewegen wir uns. In der Vergangenheit war ich jeweils vor sogenannten «monthly challenges» (Ein Monat kein Zucker! Ein Monat 100 Kniebeugen täglich! Ein Monat vegan!) zurückgeschreckt. Auch wenn mich die Idee überzeugte, konnte ich jeweils den Willen für ein solch langes Unterfangen nicht aufbringen. Einmal pro Woche hingegen, das fühlt sich überblickbar an. Und es ist in der Realität gut planbar: Wir wissen meist, was noch im Kühlschrank vorhanden ist, wann wir eine Einladung zum Abendessen haben, was wir Lust haben zu kochen in zwei Tagen, und erledigen dementsprechend unsere Wocheneinkäufe. Gleichzeitig können wir uns innerhalb des Wochenrahmens noch gut erinnern: Was hatte ich am Dienstag zum Mittagessen? Hatte ich diese Woche bereits einmal Fleisch auf dem Teller?

Die zweite Komponente, die meinem Vorsatz für das Jahr 2019 wohl zum Erfolg verhalf, ist meines Erachtens das Verzichten auf ein radikales «Verbot». Wir leben in einer Zeit, in der alles immer noch besser, noch grösser, noch radikaler zu sein hat. Extreme müssen her, denn Kompromisse sind langweilig. Insbesondere die schnelllebige digitale Medienlandschaft verstärkt dieses Bild. Gleichzeitig löst die Forderung «Nie wieder!» in vielen von uns einen inneren Widerstand aus. Selbst auferlegte Verbote erfordern sehr viel Disziplin. Die meisten sind nicht zum Asketen geboren. Wer sich zu hohe Ziele steckt, ist früher oder später zum Scheitern verurteilt. Frust, ein schlechtes Gewissen und ein Gefühl des Versagens sind die Folge. Doch auch wenn die Tonalität der Medien Radikalität fordert (Nie wieder! Jetzt sofort!), verlangt der Zustand der Welt nicht einen Totalverzicht von jedem einzelnen von uns. Er verlangt nach einer Reduktion, einem bewussten Konsum unserer Ressourcen. Und das ist absolut machbar.

Die positiven Gespräche, die ich seit Einführung meiner «Fleisch-Regel» führen konnte mit Familie, Freunden, Arbeitskontakten, etc., haben mir bestätigt, dass ein solch moderater Vorsatz viele für gut umsetzbar halten. Denn statt einer Abwehrhaltung fand eine Reflexion statt, meist gemäss folgendem Schema: «Ah – interessant! So viel Fleisch esse ich ja selbst auch nicht!» … «Obwohl, wenn ich es mir recht überlege, esse ich eigentlich schon täglich Fleisch!» … «Darauf werde ich mich ab jetzt auch mehr achten. Wir sollten Fleisch wieder mehr schätzen und geniessen lernen!» Diese spontanen Unterhaltungen sind der wohl schönste unerwartete Nebeneffekt, der mit meiner neuen Ernährungsregel entstanden ist. Einige Personen in meinem Umfeld haben die Idee sogar weitergetragen, und mir ihrerseits von danach entstandenen positiven Begegnungen berichtet.

Zu einem bewussten Konsum gehört für mich auch die Verantwortung gegenüber den Tieren. Und dies nicht nur beim Fleisch, denn auch vegetarische Lebensmittel wie Käse und Eier können in der Produktion viel Leid verursachen. So ist zum Beispiel das Entsorgen ungewollter männlicher Küken (siehe dazu unsere Meldung vom 03.10.2019) nach wie vor gängige Praxis in der Schweiz. Aus diesem Grund beziehe ich meine Eier von einem Hof, welcher ein sogenanntes «Bruderküken»-Programm unterhält. Die männlichen Küken werden nicht getötet, sondern auf dem Bio-Betrieb aufgezogen und später geschlachtet. Ich kaufe dem Bauern deshalb zweimal im Jahr ein Suppenhuhn ab – dieser Fleischkonsum ist die Konsequenz meines Eierkonsums.

Bewusstes Fleischessen. Einmal pro Woche. Für mich persönlich reicht das. Können, wollen das alle so umsetzen? Wohl kaum. Zweimal, dreimal pro Woche Fleisch auf dem Teller, statt wie bisher täglich zwei Riesenportionen? Auch das ist ein grosser Schritt. Der positive Nebeneffekt: Wir sparen Geld, und wenn Fleisch, dann können wir es bei Schweizer Betrieben einkaufen und dafür qualitativ hochwertig essen. Die Schweizer (Bio-)Bauern und Metzgerinnen und Metzger mit Tradition wird’s freuen. Auch darum geht es bei unserem erklärten Ziel: «Keine Massentierhaltung in der Schweiz!»

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