22.02.2023
Rebekka Gammenthaler

Jagdgesetz: Wie steht es um den Schutz der Schweizer Wildtiere?

Am 27. September 2020 hat das Volk die vorgeschlagene Jagdgesetz-Revision abgelehnt. Nun hat das Parlament eine neue Revision erarbeitet, welche dem Volkswillen Rechnung tragen soll. Tut sie dies auch wirklich?

Am 27. September 2020 erntete die damals vorgeschlagene Jagdgesetz-Revision ein Nein an der Urne. So konnte ein massiver Angriff auf den Schutz der Schweizer Wildtiere abgewendet werden und der Weg war frei für eine Gesetzesrevision, welche den Schutz wildlebender Tiere sowie eine pragmatische Regulierung der Wolfspopulation beinhalten. Doch Ende 2022 verabschiedete das Parlament, auf Druck des Ständerats, eine Revision des Jagdgesetzes (JSG) mehrere Punkte zur Wolfspolitik, welche im Referendum 2020 stark kritisiert worden waren.

Was ist positiv an der neuen JSG-Revision?
Die aktuelle Revision zeigt, dass sich das Referendum von 2020 gelohnt hat. Der Schutz von vielen geschützten Tieren wie beispielsweise Biber, Luchs, Graureiher und anderen Wildtieren wäre mit der letzten Revision massiv gelockert worden, denn dieses Gesetz hätte den präventiven Abschuss dieser Arten erlaubt. Mit der aktuell vorliegenden Revision bleibt der Schutz dieser Tiere unangetastet – Einzelabschüsse werden nicht erleichtert. Alle geschützten Arten (mit Ausnahme von Steinbock und Wolf) dürfen nur reguliert werden, wenn sie grossen Schaden angerichtet haben. Vorgängige Schutzmassnahmen vor Regulierungen sind weiterhin erforderlich. Und den geschützten Tieren darf in Schutzgebieten wie bisher nicht nachgestellt werden.

Auch für den Wolf hat das NEIN vom September 2020 positive Auswirkungen. Im abgelehnten Jagdgesetz wäre die Genehmigung der kantonalen Abschussverfügung durch den Bund als Kontrollmechanismus aufgehoben worden. Auch hätte vor einer präventiven Regulierung keine Schutzmassnahmen – wie zum Beispiel Herdenschutz – mehr ergriffen werden müssen. Und Wölfe hätten auch in Jagdbanngebieten reguliert werden dürfen. Diese massiven Verschlechterungen im Wolfschutz sind zum Glück vom Tisch.

Was bedeutet die aktuelle Revision des JSG für den Wolf?
Grundsätzlich gilt, dass der Wolf hierzulande heimisch und geschützt ist. In der Verfassung steht, dass keine Art, also auch nicht der Wolf, durch die Regulierung ausgerottet werden darf. Auch «wolfsfreie Zonen» sind nicht zulässig.

Künftig sollen Wölfe im Herbst und Winter vorbeugend geschossen werden dürfen. Die Kantone sollen die Wolfspopulation vom 1. September bis 31. Januar regulieren dürfen, um potenzielle Schäden und Gefährdungen zu verhindern. Der Entscheid für den präventiven Wolfsabschuss liegt zwar bei den Kantonen, obliegt jedoch weiterhin der Zustimmung des Bundes. Ein Abschuss darf nur angeordnet werden, wenn der Schaden nicht durch zumutbare Schutzmassnahmen verhindert werden kann.

Da stellt sich natürlich die Frage, wie hoch der drohende Schaden sein muss, damit ein Wolfsbestand präventiv reguliert werden darf. Darin ist das vorliegende Gesetz unklar. In der Debatte um die Revision hat der Kommissionssprecher diesen Punkt erfreulicherweise geklärt. Er hält fest, dass eine präventive Wolfs-Regulierung der Berner Konvention entsprechen muss und somit voraussetzt, dass der Wolf «grosse erhebliche Schäden anrichtet». Dies gilt ebenfalls, wenn es so nicht ausdrücklich im Gesetz steht.

Berner Konvention lehnt Herabstufung des Wolfs ab
Die Schweiz wollte den Wolf in der Berner Konvention – dem europäischen Vertrag zum Schutz der Wildtiere und Pflanzen – von der Liste der «streng geschützten Tierarten» auf die Liste der «geschützten Tierarten» herabsetzen. Ende November 2022 haben die Mitglieder der Berner Konvention diesen Antrag zur Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes klar abgelehnt (30 zu 6 Stimmen). Begründet haben sie ihren Entscheid damit, dass laut den Ergebnissen eines umfassenden Berichts zum Zustand der Wolfspopulation im Auftrag des Europarats, die alpine Wolfspopulation nach wie vor potenziell gefährdet ist.

Laufende Revision der Jagdgesetzverordnung
Entscheidend für die Umsetzung des revidierten Jagdgesetzes ist ebenfalls die ihm nachgeordnete Jagdverordnung, welche zurzeit ebenfalls revidiert wird. Die Fondation Franz Weber (FFW) hat im laufenden Vernehmlassungsprozess Stellung zur Revision der Jagdverordnung genommen. Zusammen mit diversen Umweltverbänden setzt sich die FFW weiterhin dafür ein, dass das künftige Wolfsmanagement sich im Rahmen der Berner Konvention bewegt und der zumutbare Herdenschutz konsequent umgesetzt wird.

Ein neues Referendum gegen die vorliegende Jagdgesetz-Revision erachtet die Fondation Franz Weber nicht als zielführend. Die vorliegende Revision trägt dem Erfolg für Biber, Luchs, Graureiher und Co. Rechnung. Ein erneutes Referendum und danach eine erneute Gesetzesrevision würden diese Erfolge in Gefahr bringen. Auch die nun vorliegenden sichernden Bedingungen für den Wolf könnten mit negativen Folgen über Bord geworfen werden. Deshalb liegt das Augenmerk nun darauf, sich für eine fachgerechte Umsetzung des Gesetzes zu engagieren.

Fazit: Wieso die FFW kein weiteres Referendum unterstützt

  • Ein erneutes Referendum birgt grosse Gefahren für den durch NEIN im September 2020 erreichten Schutz für viele Arten wie Biber, Luchs, Graureiher und andere Wildtiere.
  • Ein erneutes Referendum öffnet die Tür für eine weitere Revision des Jagdgesetzes, in welchem der Wolfschutz mit grosser Wahrscheinlichkeit massiv gelockert würde.
  • Die mit der aktuellen Revision vorliegende Fassung trägt den Einwänden der Naturschutzorganisationen grösstenteils Rechnung. Ein erneutes Referendum würde diese Erfolge für Tier und Natur in Gefahr bringen.
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