Erst kürzlich erklärte sich Basel als eine der ersten Städte Europas zur Klimastadt und rief den Klimanotstand aus. Und nun soll hier ein gigantisches Verkehrsterminal für den Güterumschlag mit ganz Europa gebaut werden? Dagegen wehren sich die grossen Natur- und Umweltschutzverbände Pro Natura, Greenpeace Regionalgruppe Basel, WWF und Fondation Franz Weber gemeinsam mit Politikerinnen und Politikern von links bis rechts.
An der heutigen Medienkonferenz zeigten sie gemeinsam auf: Das Hafenbecken 3 ist ein Paradebeispiel für veraltetes Denken und führt komplett in die falsche Richtung. Mit 100‘000 zusätzlichen LKWs und der Zerstörung eines für die Artenvielfalt überaus wertvollen Naturschutzgebietes steht das Grossprojekt diametral im Widerspruch zu den Zielen von Klimaschutz und Nachhaltigkeit.
Die Kritik am Hafenbecken 3 und dem damit verbundenen Containerterminal Gateway Basel Nord ist breit abgestützt: Einerseits wehren sich die grossen Natur- und Umweltschutzverbände Pro Natura, Greenpeace Regionalgruppe Basel, WWF und Fondation Franz Weber im engen Verbund mit der IG Schiffsführer Basel, dem Dorfverein Pro Kleinhüningen, Ökostadt Basel und zahlreichen weiteren Organisationen gegen das Vorhaben. Andererseits engagieren sich im Komitee zahlreiche prominente Basler Politikerinnen und Politiker aus dem ganzen Parteienspektrum von links bis rechts – von BastA! und dem jungen grünen Bündnis Nordwest über die SP und die Grüne Partei bis hin zu CVP, FDP und SVP. Sie alle fragen sich in ihrem gemeinsamen Engagement gegen das umstrittene Hafenbecken 3, über das die Stimmbevölkerung am 29. November abstimmt: «Geht so Klimaschutz?» Und kommen zum klaren Schluss: Nein, das ist kein Klimaschutz! Das Projekt steht vielmehr diametral im Widerspruch zu den Zielen von Klimagerechtigkeit und nachhaltiger Entwicklung.
Projekt aus dem letzten Jahrhundert
Zoë Roth von Greenpeace Regionalgruppe Basel führte den Widerstand der Umweltorganisation darauf zurück, dass das umstrittene Hafenprojekt und das damit eng verknüpfte Projekt Gateway Basel Nord «mit voller Fahrt in die falsche Richtung geht». «Es ist in erster Linie ein massiver Ausbau des Gütertransports auf Kosten von Klima und Biodiversität», sagte Roth. Sie bezeichnete das Vorhaben als Projekt aus dem letzten Jahrhundert, das zu deutlich mehr Lastwagen und zur Zerstörung intakter und funktionierender Ökosysteme führe.
Umdenken statt mehr LKW-Verkehr
Auch Grossrat Thomas Grossenbacher (Grünes Bündnis und IT-Experte) bezeichnete das umstrittene Hafenprojekt als Paradebeispiel für das veraltete Denken. Statt in Digitalisierung und intelligente Logistik zu investieren, würden einfach immer neue Infrastrukturen gebaut. Das sei weder effizient noch nachhaltig. «Die Annahme, dass in Zukunft immer noch mehr Güter transportiert und umgeladen werden müssen, ist selbst unter den Befürwortenden des Bauvorhabens umstritten», sagte Grossenbacher. Im Hinblick auf die Klimaentwicklung und die rasch voranschreitende Digitalisierung mit ihren Möglichkeiten sei das Wachstumsdenken, das der Idee des Hafenbeckens 3 zugrunde liege, weder wünschenswert noch wahrscheinlich.
Sollten die Wachstumsprognosen der Hafenbecken-Befürworter doch eintreffen, sei soviel klar: «Mehr Güterumschlag im Basler Hafen heisst in jedem Fall auch mehr LKW-Fahrten und mehr Gefahrgüter – in der Stadt!». Selbst wenn es gelänge, das unrealistische Ziel, 50% der in Basel mit dem Schiff ankommenden Gütercontainer mit der Bahn weiter in die Schweiz zu transportieren, gingen die anderen 50% mit dem LKW weiter. Basierend auf den Zahlen des Projektes würde das einen LKW-Mehrverkehr gegenüber heute von jährlich über 100‘000 schweren Lastwagen bedeuten.
Umweltschädigendes Projekt mit grünem Anstrich
Die Umweltökonomin und Kampagnenleiterin Schweiz der Fondation Franz Weber, Julia Fischer, wehrte sich «dezidiert gegen den ‚grünen Anstrich‘, den die Projektinitianten dem unnötigen und unpraktischen Hafenbecken geben». Die Befürworter würden versuchen, «mit fragwürdigen Argumenten dem umstrittenen Vorhaben ein Deckmäntelchen von Klimaverträglichkeit und Umweltschutz umzuhängen». Tatsächlich sei das Gegenteil der Fall, und «es sollte zu denken geben, dass die grossen Umweltschutzorganisationen unabhängig zum gleichen Schluss kommen: Nicht Klimaschutz, sondern eine massive zusätzliche Umweltbelastung würden wir uns mit diesem Projekt nach Basel holen.»
Fischer kritisierte zudem, dass für das Projekt, das die Steuerzahlenden hunderte Millionen Franken kosten soll, «nie ein öffentlicher Ideenwettbewerb ausgeschrieben wurde».
Dabei gäbe es gute Alternativen, wie das Klybeckareal mit der bestehenden Infrastruktur neu genutzt und gleichzeitig die Effizienz des Hafens für den Containerumschlag deutlich gesteigert werden könnte – ganz ohne Hafenbecken 3.
Vorgeschlagene Ersatzflächen sind eine Farce
Der Präsident von Pro Natura Basel, Oliver Balmer, betonte die zentrale Wichtigkeit von Naturschutzgebieten, um den weltweiten Rückgang der Biodiversität zu stoppen. Das durch Hafenbecken und Gateway bedrohte Naturschutzgebiet ist einer der wertvollsten in der Schweiz noch verbleibenden Trockenlebensräume – doppelt so gross wie der Basler Zolli und mit 400 Pflanzenarten, 3000 Insektenarten und um 100 Arten von den nationalen Roten Listen ungemein artenreich. «Wenn das Hafenbecken gebaut wird, vernichten wir eine Perle mit zentraler Funktion als Wanderkorridor für Arten, die sich nur noch entlang von Zuggleisen von Süd nach Nord verschieben können – was mit dem Klimawandel immer wichtiger wird», so Balmer.
Er wies die Behauptung der Projektbefürworter, angemessenen Ersatz für das überaus wertvolle Naturschutzgebiet gefunden zu haben, entschieden zurück. «Das ist eine Farce. Weder das zuständige Bundesamt für Umwelt, noch die Umweltverbände haben das Ersatzkonzept bisher gesehen – wohl aus gutem Grund. Was bisher beurteilt werden kann, ist als Ersatz schlicht untauglich».
Auch die Logistiker sind gegen das Hafenbecken
SVP-Grossrat Lorenz Amiet ist Unternehmer im Logistik-Sektor. Er stehe «zu den verschiedenen Playern im Basler Rheinhafen in kompletter Unabhängigkeit» und betrachte das Konzept Gateway Basel Nord «mit grosser Skepsis».
Einerseits kritisierte Amiet, dass mit dem Gateway-Projekt ein Staatsmonopol unter Führung der chronisch defizitären SBB Cargo die heute erfolgreichen privaten Container-Umschlagsfirmen aus dem Wettbewerb drängen soll. Dieses gewerbefeindliche Verhalten sei «keinesfalls gut zu heissen».
Ausserdem liege dem Vorhaben ein veraltetes Logistikkonzept zu Grunde, das von völlig unrealistischen Annahmen ausgehe. «In der Theorie sollen mindestens 50% der in Basel ankommenden Container per Bahn in die Schweiz feinverteilt werden», sagte Amiet. Doch selbst Bahnfachleuten wie dem ex-SBB-Chef Benedikt Weibel sei klar, dass Containertransport per Bahn in der Schweiz nicht kostendeckend sein kann. Dies sei der Grund, weshalb heute – trotz vorhandener Bahnterminals im Hafen – nur 10% der Container ab Basel per Bahn weitertransportiert würden. Mit dem LKW könne die Ware nach kurzer Fahrzeit direkt beim Kunden abgeladen werden. Reise derselbe Container aber ab Basel zuerst noch mit der Bahn, ginge er zuerst an einen anderen Ort und müsse dann nochmal umgeladen werden, bevor er dem Kunden geliefert werden könne. Amiet: «Man braucht nicht Logistiker zu sein, um festzustellen: Das rechnet sich weder finanziell noch zeitlich».
Hafenbecken 3 hat mit Verlagerung auf die Schiene nichts zu tun – womit dann?
Sämtliche Rednerinnen und Redner sprachen sich klar für die Verlagerung von Gütertransporten von der Strasse auf umweltverträglichere Verkehrsmittel aus. Das Problem sei nur, so Julia Fischer, «dass das geplante Hafenbecken mit Verlagerung nichts zu tun hat».
Es gehe den Befürwortern beim Hafenbecken-3-Projekt weder um Klimaschutz noch um die Schifffahrt, ergänzte Balmer: «In Tat und Wahrheit geht es den Projektinitianten einerseits um Flächen für neue Wohnungen am Rhein. Hierfür muss der bestehende Hafen verschoben werden – obwohl er viel besser wäre. Und andererseits braucht die SBB für den Wettbewerb mit anderen Bahnen eine zentrale Drehscheibe für den Güterverkehr mit Europa.» Die SBB brauche dafür das Hafenbecken nicht, was schon die Tatsache belege, dass das Terminal zunächst 12 Jahre lang im Mittelland geplant wurde. Aber nur so könne sie behaupten, das ganze Gateway-Vorhaben sei ,standortgebunden‘, was wiederum die gesetzliche Voraussetzung dafür sei, dass die Behörden dem Projekt trotz Zerstörung eines nationalen Naturschutzgebietes überhaupt eine Bewilligung erteilen könnten.
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