Dohlen sind die kleinste Krähenart der Schweiz und gelten als gefährdet. Umso mehr müssen ihre Habitate erhalten werden, so wie in Mühleberg. Dort konnte die FFW in persönlichen Gesprächen und dank einer Pacht verhindern, dass grosse alte Buchen gefällt wurden, in denen sich Dohlen heimisch gemacht hatten. Ein persönlicher Erfahrungsbericht.
«Tschak, tschak», ertönt es von den Bäumen in einem Waldstück in meiner Wohngemeinde Mühleberg. Vor etwa sieben Jahren hörte ich zum ersten Mal das typische «Tschak» der Dohle (Corvus monedula) in diesem Waldstück. Das erfüllte mich mit grosser Freude, da ich meine Diplomarbeit über Dohlen in Murten abgeschlossen habe und die intelligenten und äusserst lebhaften Vögel mir über die Jahre sehr ans Herz gewachsen sind. Ich machte mich damals gleich auf, um zu sehen, ob die Vögel nur auf dem Durchzug waren oder ob sie in diesem wunderschönen Wald mit seinen grossen, alten Buchenbeständen Nistplätze gefunden hatten.
Nistmöglichkeiten für Dohlen sind selten geworden
Die Dohle, als kleinste Krähenart in der Schweiz, ist ein Höhlenbrüter und lebt monogam, das Paar ist oft gemeinsam unterwegs. Eine wichtige Aktivität zur Festigung ihrer Beziehung ist das gegenseitige Putzen des Gefieders. Dohlen brüten häufig in gemeinschaftlichen Kolonien in Gebäuden, Türmen, Felsen und eben auch in Baumhöhlen. Letztere werden immer seltener, weil immer weniger alte Bäume mit Löchern stehen bleiben. Gebäude werden häufig so saniert, dass keine Nistmöglichkeiten bleiben. Mit einer Population von nur etwa 1500 Brutpaaren in der Schweiz gilt dieser reizvolle Vogel als recht selten und wird in der IUCN Roten Liste von 2021 als «potenziell gefährdet» aufgeführt.
Tatsächlich fand ich einige alte Buchen mit den typischen Schwarzspechtlöchern. Diese Höhlen werden von den Dohlen «nachbewohnt», da sie selbst keine Höhlen zimmern können. Während der Brutsaison besuchte ich den benachbarten Wald und war begeistert zu sehen, wie die Dohlen tatsächlich Nistmaterial wie Moos und kleine Äste in die Höhlen brachten. Mein Herz sprang vor Freude! Von da an waren die Dohlen zur Brutzeit immer präsent. Sie suchten in den nahen Wiesen und Weiden nach Nahrung für ihre Jungen und zeigten sich dann spärlicher bis zur nächsten Saison.
Dohlen sind wahre Luftakrobaten und fliegen meistens paarweise. Auch in einem Schwarm von Krähen, mit denen sie häufig im Kulturland Nahrung suchen, sind sie gut zu unterscheiden, da sie etwas kleiner sind. Mit einem «Krrrr» warnen sich die Singvögel gegenseitig. Ja, Krähen und Dohlen gehören zu den Singvögeln, auch wenn wir Menschen ihre Rufe meist nicht als besonders harmonisch empfinden.
Eine Rettungsaktion beginnt
Als ich am 1. Januar dieses Jahres einen Neujahrsspaziergang mit meinem Mann machte und am besagten Wald vorbeikam, erschrak ich, denn alle Bäume waren zum Fällen markiert! Auch die alten Buchen mit den wertvollen Bruthöhlen. Ich war schockiert, denn ein paar Monate zuvor hatte ich den Waldbesitzer zufällig getroffen und ihm erzählt, dass sehr spezielle Vögel in seinem Wald brüteten und gefördert werden sollten. Daraufhin erwiderte er, dass er am Waldstück nicht interessiert sei.
Am 2. Januar rief ich den Besitzer an, der mir nochmals versicherte, dass er kein Interesse an seinem kleinen Waldstück habe. Dies habe er auch dem Förster und der Holzwirtschaftsfirma mitgeteilt. Zu diesem Zeitpunkt verstand ich seine Worte so, dass der Wald unberührt bleiben würde. Allerdings interpretierte der Förster dieselben Worte anders. Er verstand, dass der Wald genutzt werden könnte. Dies führte dazu, dass das Waldstück zum Fällen freigegeben wurde, einschliesslich der Bäume mit Dohlenbruthöhlen. So kontaktierte ich auch den Revierförster und nahm Kontakt mit einem alten Kollegen, der Experte für Dohlen bei der Vogelwarte ist, auf. Dieser setzte sich ebenfalls mit dem Revierförster in Verbindung und schrieb ihm eine «dohlen-unterstützende» E-Mail. Zusätzlich involvierte ich den lokalen Natur- und Vogelschutz sowie einen Nachbarn, der sich bei mir erfreut über die «neue Vogelart» im Wald erkundigt hatte. Am nächsten Tag rief mich der Förster zurück, und ich erklärte ihm die Situation.
Dohlen: Prioritäre Art im Programm der «Artenförderung Vögel Schweiz»
Dohlen zählen zu den 50 prioritären Arten im Programm «Artenförderung Vögel Schweiz» des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Um den Erhalt dieser Art zu gewährleisten, werden Massnahmen ergriffen, mit denen die bestehenden Nistplätze in Wirtschaftswäldern gesichert und durch gezielte Eingriffe weiter aufgewertet werden. Andernorts wurden bereits einige Schutzmassnahmen für Dohlen umgesetzt. Zum Beispiel wurden in der Nähe von Kerzers FR Nistkästen an Hochspannungsmasten angebracht – der Autobahnlärm stört die Dohlen nicht. Im Oberaargau wurden acht kleine Waldkolonien mit speziellen Nistkästen erweitert, unterstützt von lokalen Fachleuten, dem Revierförster und dem Naturschutzverein. Daher sollte es auch in Mühleberg möglich sein, ähnliche Massnahmen umzusetzen!
Während der Brutsaison sind Rabenvögel – und somit die Dohlen – gesetzlich geschützt gemäss dem Jagdschutzgesetz (JSG), 7. Abschnitt, Artikel 17, Ziffer 1 Buchstabe b. Zusätzlich obliegt es den kantonalen Gesetzgebungen zu entscheiden, ob auch ihre Brutplätze geschützt werden sollen. Die FFW vertritt klar die Meinung, dass dem so sein muss!
Bei der gemeinsamen Begehung Mitte Januar mit dem Waldbesitzer, dem Förster und Vertretern des lokalen Natur- und Vogelschutzes sowie der Vogelwarte wurde deutlich, dass sowohl der Waldbesitzer als auch der Revierförster ein aufrichtiges Interesse am Erhalt der Dohlenkolonie in diesem naturbelassenen Wald haben. Die Dohlen bemerkten uns und beobachteten uns aufmerksam. Wie bei uns Menschen spielt der Blickkontakt auch bei Rabenvögeln eine wichtige Rolle. Krähenvögel können Augenbewegungen «lesen» und ihnen folgen, zum Beispiel um versteckte Nahrung zu finden.
Dank Pacht stellt die FFW das Waldstück unter Schutz
Während der Gespräche mit dem Besitzer und dem Förster wurde deutlich, dass für den lokalen Naturschutz und die FFW die Möglichkeit bestand, die Parzelle zu pachten, anstatt die Bäume zu fällen. Aufgrund des steilen Geländes wäre eine Rodung für den Besitzer finanziell nicht attraktiv gewesen. Ausserdem hätten die neu gepflanzten Bäume viele Jahrzehnte gebraucht, um wieder dieselbe Grösse und den gleichen ökologischen Wert zu erreichen. Dies stellte eine klare Win-win-Situation für den Besitzer und die Dohlen dar.
Zur Freude der FFW, des Besitzers und des Revierförsters haben wir sogar drei Nistkästen angebracht, um die Dohlenkolonie zu unterstützen. Gemeinsam mit unserem Baumpflegespezialisten Fabian Dietrich wurden die geeignetsten Bäume für die Nistkästen ausgewählt. In Zusammenarbeit mit Fabian konnten wir schon viele Bäume vor unnötigen Fällungen retten. Anfang Februar wurden die Kästen bei klirrender Kälte installiert. Der Besitzer kam auch vorbei und auch die Dohlen machten sich lautstark bemerkbar.
Der Aufwand hat sich gelohnt. Die FFW konnte inzwischen sogar ein weiteres, grösseres Waldstück in der Nähe pachten, in dem ebenfalls zahlreiche Bäume von der Säge bedroht waren. Auf diese Weise wird den Dohlen und allen anderen Waldtieren ein natürlicher, ungestörter Wald gesichert. Heute sehe ich regelmässig mehr als 20 Dohlen über den Wald hinwegfliegen.
Mitte März begannen die Dohlen zu brüten. Die Nistkästen wurden interessiert inspiziert, aber es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis sie als Brutplätze angenommen werden.
Ich liebe es, in den Wald zu gehen und die Dohlen zu beobachten, beziehungsweise zu sehen, wie sie mich beobachten, denn die schlauen Vögel merken immer, wenn man auf sie aufmerksam wird, verstecken sich und spähen einen aus: «Tschak, tschak»! Ein paar Fotos konnte ich trotzdem machen.