Obwohl die Auswirkungen der Massentierhaltung auf den Klimawandel unbestreitbar sind, versteift sich Brüssel darauf, die Viehzüchter und Fleischproduzenten zu unterstützen. Nicht genug damit, dass die Europäische Union empfänglicher für die Verführungskünste der Fleischlobbys ist als für das Schicksal von Millionen Tieren, die sie zu einem Leben voller Leid und Schrecken verurteilt. Die EU zeigt auch keinerlei Gespür für den Wandel unserer Gesellschaft, die immer mehr Wert auf einen ethischen und gesünderen Konsum legt.
Es ist eindeutig: Die EU hinkt den Entwicklungen unserer Zeit immer einen Schritt hinterher. Während von ihr selbst veranlasste Umfragen ergeben, dass sich immer mehr Europäerinnen und Europäer für eine Ernährung mit weniger Fleisch und tierischen Produkten entscheiden. Die EU beharrt weiterhin darauf, diese Industrie zu unterstützen, und scheut nicht davor zurück, Steuergelder für kostspielige Werbekampagnen zur Förderung des Konsums tierischer Produkte auszugeben. Dies, obwohl bereits 2016 eine von der Europäischen Kommission durchgeführte Umfrage zum Verzehr von Erzeugnissen aus Fischereizuchtbetrieben bei 27 818 EU-Bürgern klar ergab, dass sich das Konsumverhalten der Bevölkerung Europas verändert: 14 Prozent aller befragten Personen gaben an, auf den Verzehr solcher Lebensmittel gänzlich zu verzichten, da sie ihre Ernährung auf vegetarische oder vegane Kost umgestellt hätten. Verglichen mit einer nur drei Jahre zuvor von «Friends of the Earth» veröffentlichen Schätzung zum Anteil vegetarisch und vegan lebender Menschen bedeutet dies eine Steigerung um 4vier Prozentpunkte!
Tierwohl rück in den Fokus
Die Kampagnen zur Sensibilisierung für das Tierwohl waren und sind erfolgreich: Die Gesellschaft sorgt sich heute immer stärker um das Wohlergehen der Tiere. Den sozialen Netzwerken und den Medien ist es zu verdanken, dass Videos, welche die Gewalt in den Schlachthöfen oder beim Transport von zum Verzehr bestimmten Tieren offenlegen, die öffentliche Meinung massgeblich beeinflusst haben. Die Öffentlichkeit fordert heute mehr Transparenz und Respekt im Hinblick auf die Haltungs- und Schlachtbedingungen. Tierquälerei ist zu einem gesamtgesellschaftlichen Thema geworden!
Auch dies wird von Umfrageergebnissen belegt: Bei einer Befragung von knapp 30 000 Menschen im Jahr 2015 gaben 94 Prozent der Personen an, dass ihnen das Wohlergehen von Zuchttieren wichtig sei.
Verweigerung der Realität
Brüssel ist diese gesellschaftliche Entwicklung wohlbekannt. Seiner eigenen Schätzung zufolge wird der Fleischverzehr pro Kopf in Europa von 69,3 Kilo im Jahr 2018 bis 2030 um mehr als 30 Prozent sinken. Diese Zahlen dürften inzwischen sogar noch drastischer ausfallen, da die obige Schätzung vor der Pandemie erstellt worden war. Weil der Ausbruch von Covid-19 mit den Verfehlungen unserer Gesellschaft in unmittelbarem Zusammenhang steht, könnte die derzeitige Pandemie den Wunsch nach einer Eiweisswende verstärken. Warum also weigert sich die EU, diesem Wandel Rechnung zu tragen?
Jagd nach Profit
Es ist ein hoffnungsloser Fall: Das Verhalten der EU-Kommission lässt die Vermutung nahe, dass sie schlicht den Status quo erhalten will um die Fleischproduzenten zu schützen, während sie die Augen vor den dramatischen Auswirkungen der Massentierhaltung verschliesst. Das eklatanteste Beispiel dafür ist die GAP (Gemeinsame Agrarpolitik). Letztere trieb die Expansion der weltweiten Produktion von Soja und die Entstehung von Monokulturen entscheidend voran: Zur Zuchttiermast werden eiweissreiche Nahrungsmittel wie Soja, Weizen oder Mais benötigt. Auf die Einfuhr von Sojabohnen werden deshalb keine Steuern erhoben in der EU, weshalb die grossen europäischen Unternehmen ein immenses Interesse daran haben, in den Entwicklungsländern in den Sojaanbau zu investieren. Dank dem GAP erhalten die Fleischproduzenten künstlich vergünstigte Betriebsmittel für die Massentierhaltung!
Propaganda auf Kosten der Steuerzahlenden
Doch das ist noch nicht alles. Die Kommission hat mehrere Werbekampagnen lanciert, um den Verbrauchern den Verzehr von Fleisch (Rind, Schwein, Lamm, Geflügel, Fisch und Meeresfrüchte) noch «schmackhafter» zu machen. Laut den Angaben der Exekutivagentur für Verbraucher, Gesundheit, Landwirtschaft und Lebensmittel (CHAFEA) der EU-Kommission wurden allein zwischen 2017 und 2019 insgesamt knapp 113 Millionen Euro für 53 Fleisch-Kampagnen ausgegeben und damit mehr als 75 Prozent des nötigen Budgets! Finanziert wurden all diese «Werbemassnahmen» mit den Steuergeldern eben derjenigen Bürgerinnen und Bürger, von denen immer mehr es für unerlässlich erachten, unsere Ernährungsweise zu überdenken.
Paradox
Doch die EU bemüht sich hartnäckig, den Trend umzukehren: Sie wendet 53,8 Prozent ihres Kampagnenbudgets dafür auf, den Fleischverzehr innerhalb ihrer Grenzen zu fördern. Mithilfe von zwei Kampagnen – European Veal Meat und BIOLS.EU – wird insbesondere Kalbfleisch beworben. Das Budget allein für diese Kampagnen entspricht 11 Prozent der Investitionen der Kommission (jeweils 5 und 6 Prozent).
Chauvinismus
Kurioserweise sind es nicht die geschmacklichen Vorzüge, mit denen die EU ihr Publikum verführen will: Einmal wird Rindfleisch als wesentlicher Bestandteil des europäischen Erbes dargestellt, ein andermal darauf verwiesen, dass der Rindfleischsektor 25 000 Arbeitsplätze sichert. BIOLS.EU gibt sich einen moderneren Anstrich: Die Kampagne macht sich die Vorliebe für Bio-Produkte zunutze und bewirbt Fleisch und tierische Erzeugnisse aus biologischer Herstellung. Auch die Schafe kommen nicht zu kurz: Die Kommission gibt 13,9 Prozent ihrer Werbebeiträge für Schaffleischkampagnen aus. Die wichtigste von ihnen, EU Lamb, wurde 2017 genehmigt und ihre Kosten belaufen sich auf 7 Prozent der Gesamtinvestitionen (das entspricht 8,2 Millionen Euro). Wieder muss der Patriotismus als Vorwand herhalten, denn das Hauptargument der Initianten der Kampagne lautet: Da 80 Prozent der Schafproduktion in ländlichen Gebieten stattfinden, ist sie Bestandteil des europäischen Erbes, das durch den kontinuierlichen Verzehr von Lammfleisch erhalten werden muss. Brüssel zufolge sichert das europäische Lamm nicht nur Arbeitsplätze – es fördert zudem die Gesundheit! Gestützt auf digitale Medien will sie insbesondere junge Menschen davon überzeugen, dass Fleisch von Schafbabys eine wertvolle Eiweissquelle und damit für den täglichen Verzehr geeignet sei.
EU-Kampagnen zielgerichtet auf Nicht-EU-Länder
Ungeachtet der Anstrengungen zur Förderung des Fleischverzehrs innerhalb der EU liegt der wahre Schwerpunkt von Brüssel auf dem Fleisch-Export in die gesamte Welt. Das Ziel der Mehrheit aller Projekte (32) besteht darin, den Verzehr in Nicht-EU-Ländern (China, Japan, Kuweit, Nigeria, Kanada, USA) zu fördern, insbesondere derjenige von Schweineerzeugnissen. Dafür wurden 21,2 Prozent der verfügbaren Werbeinvestitionen aufgewendet!
Hauptadressat dieser Werbekampagnen – wie zum Beispiel AEEFQ, EUROPORKCHK und FromFarmToFork – ist China, wohin die Hälfte der in der EU erzeugten Schweineprodukte exportiert werden. Teilweise richten sich die Werbeprojekte auch an mehrere Länder gleichzeitig: So sollen etwa mit AEEFQ auch Japan, Südkorea und Vietnam zum Kauf verleitet werden. Da die EU mit ihren Erzeugnisse nicht mit den wettbewerbsfähigeren Preisen von Brasilien, den USA und Kanada mithalten kann, hebt sie in ihrer Kommunikation stets die Qualität und gesundheitliche Aspekte hervor.
Aktiv werden und den Wandel fordern
Die Tatsache, dass die Europäische Kommission nahezu 76 Prozent dieser Werbekampagnen finanziert, sollte alle Bürgerinnen und Bürger beunruhigen, denen die Zukunft unseres Planeten und das Wohlergehen seiner zwei- und vierbeinigen Bewohner am Herzen liegt. Auch wenn das Budget für die genannten Projekte bereits bereitgestellt wurde, ist es Aufgabe der Bewohner Europas zu fordern, dass ihr jeweiliges Land weniger Geld für die Bewerbung tierischer Erzeugnisse ausgibt und im Gegenzug den Verzehr pflanzlicher Eiweissquellen finanziell stärker fördert. Die Ausschreibungen zur Förderung von Agrarerzeugnissen werden immer zu Beginn des Jahres lanciert. Es ist daher möglich, ihnen zuvorzukommen und diese Art von Ausgaben in Zukunft zu verhindern!
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